SIRT - Was ist das?
SIRT ist die Abkürzung für "Selektive Interne Radionuklid - Therapie" und ist eine vergleichsweise neue, innovative, nuklearmedizinische Behandlungsform bösartiger Lebertumoren. Die Behandlung stellt eine viel versprechende Option für Patienten dar, deren Lebertumoren nicht mit üblichen Verfahren (wie z.B. einer Operation, einer Verkochung durch Radiofrequenzablation oder einer Laser-Therapie) behandelbar sind und nicht mehr ausreichend auf eine Chemotherapie ansprechen.
Wie funktioniert das Prinzip der SIRT?
Die SIRT beruht auf dem Einbringen radioaktiver Kügelchen (sog. "Glasmikrosphären", Produktname des am Uniklinikum Halle (Saale) verwendeten Therapeutikums: TheraSpheres®) in das Tumorgewebe der Leber. Über einen kleinen Katheter, der nahezu schmerzfrei von der Leiste aus in die Leberarterie eingebracht wird, werden mehrere Millionen dieser Mikrosphären verabreicht.
Der Durchmesser der einzelnen Mikrosphären beträgt 20-30µm. Diese sind damit deutlich dünner als beispielsweise ein menschliches Haar und verteilen sich mit dem Blut insbesondere in den Gefäßen, welche den Tumor versorgen. Von dort aus sendet das Glaskügelchen über mehrere Tage Strahlung aus (Betastrahlung; Element: 90Y, Halbwertszeit: ca. 64h, maximale Reichweite: 11mm), die eine hohe lokal beschränkte Energie an den Tumor abgibt (Zieldosis: 120 Gy) und das umliegende Gewebe aufgrund der physikalischen Strahlungseigenschaften schont. Radioaktiv markierte Mikrosphären wurden bereits im Jahr 1987 in Australien entwickelt. Seit diesem Zeitpunkt hat sich die Therapieform stetig weiterverbreitet und ist in Europa als Medizinprodukt mit CE-Zertifizierung zum Gebrauch zugelassen. Weit über tausend Patienten wurden weltweit bereits mit diesem Verfahren behandelt.
Für welche Tumorarten eignet sich die SIRT?
Grundsätzlich ist die SIRT umso erfolgversprechender, je stärker der Lebertumor mit Blut versorgt ist ("Hypervaskularisierung"). Die umfangreichsten Erfahrungen liegen beim HCC (Hepatozelluläres Carcinom, ein bösartiger Tumor, der von den Leberzellen selbst ausgeht) und bei Leber-Metastasen (Absiedlungen) einiger bösartiger Tumoren wie Brustkrebs (Mammakarzinom) und Dickdarmkrebs (Kolonkarzinom) oder Neuroendokrinen Tumoren (NETs) vor.
Darüber hinaus liegen Daten vor, die auf eine Wirksamkeit bei anderen Tumoren wie z.B. Metastasen bei Gallengangskarzinomen, Pankreaskarzinomen oder Aderhautmelanomen hinweisen.
Wieso ist die Behandlung mittels SIRT einer "normalen", perkutanen Strahlentherapie überlegen?
Mit Strahlung können Tumorzellen effektiv zerstört werden. Eine Strahlentherapie ist deshalb ein anerkanntes Verfahren zur Krebsbehandlung. Leider ist aber auch normales menschliches Gewebe strahlenempfindlich. Eine Strahlentherapie mit hohen Strahlendosen kann auf viele Organe schädlich wirken und eventuell sogar einen Funktionsverlust bewirken. Lebergewebe ist besonders strahlensensibel, deshalb sind die Möglichkeiten der klassischen Strahlentherapie bei der Behandlung von Lebermetastasen oder Leberkrebs deutlich eingeschränkt.
Die SIRT erlaubt demgegenüber eine gezieltere Tumorbehandlung. Da das normale Lebergewebe sein nährstoffreiches Blut ganz überwiegend aus der Pfortader (Lebervene) bezieht und umgekehrt das gefäßreiche Tumorgewebe in der Leber stark mit arteriellem (sauerstoffreichen) Blut versorgt wird, führt die Gabe von Thera-Spheres® in die Leberarterien zu einer bevorzugten Anreicherung im bösartigen Gewebe. Die Strahlung, die von den Mikrosphären ausgeht, schädigt und zerstört damit in erster Linie das umgebende Tumorgewebe und belastet das normale Lebergewebe dabei nur relativ wenig.
Welche Voraussetzungen für die Therapie mittels SIRT müssen erfüllt sein?
- Andere Therapieverfahren (Operation, Radiofrequenzablation, Chemotherapie) sind ausgeschöpft und darunter ist keine Besserung oder ein Fortschreiten des Leberbefalls aufgetreten,
- die Einschlusskriterien der SIRT müssen erfüllt sein (Leberfunktion, Blutgerinnung, technische Durchführbarkeit), die Leberfunktion muß Mindestanforderungen genügen (Laborparameter: Bilirubin, Albumin, Transaminasen etc.),
- Weitestgehende Beschränkung des Tumorbefalles auf die Leber, da die SIRT nur hier wirkt (im Ausnahmefall kann davon abgewichen werden, wenn die Leber klar das prognosebestimmende Organ ist),
- keine Leberschädigung durch stattgehabte Strahlentherapie,
- laufende Chemotherapien sollten 2 -4 Wochen vor und nach SIRT pausiert werden.
Welche Voruntersuchungen sind nötig?
Zur Prüfung der grundsätzlichen Durchführbarkeit bitten wir um Zusendung folgender Unterlagen:
- Tumorart (Pathologiebericht, Arztbriefe etc.)
- bisherige Behandlungen (Arztbriefe mit Art, Zeitraum und Erfolg der Behandlung)
- aktuelle umfassende Schnittbildgebung (CT und / oder MRT) von Brust- und Bauchraum (Bilddaten auf CD/DVD und schriftliche Befundkopie)
- aktuelle Laborwerte (Tumormarker, Leberwerte, Bilirubin, Gerinnung)
Bei der Beschaffung der Unterlagen ist in der Regel der Hausarzt oder der behandelnde Onkologe behilflich
Sind weitere Voruntersuchungen notwendig?
Sollte nach Sichtung der Unterlagen eine SIRT eine vielversprechende Therapieoption darstellen, sind weitere Untersuchungen im Vorfeld nötig, um die Durchführbarkeit zu überprüfen. Dafür werden Sie für 1-2 Tage auf unsere nuklearmedizinische Therapiestation einbestellt. Während dieser Zeit werden ggf. ergänzende bildgebende Verfahren wie CT, PET/CT oder MRT und evt. Laboruntersuchungen durchgeführt. Darüber hinaus erfolgt eine Darstellung der Gefäßversorgung der Leber mittels Angiographie und die Simulation der Verteilung der SIRT-Sphären mittels eines therapeutisch nicht wirksamen, schwach radioaktiven Präparates. Gefäße, die von der Leber weg zu anderen Organen führen und unter der Therapie zu Problemen führen könnten, sind so zu erkennen und können gegebenenfalls sofort vom Radiologen verschlossen werden.
Wie erfolgt die eigentliche Therapie?
Wenn sich nach den Voruntersuchungen keine Aspekte gegen eine SIRT ergeben haben, wird die Therapie 2-10 Tage später durchgeführt. Die Kollegen aus der Interventionellen Radiologie führen dann am Therapietag eine erneute Angiographie durch, überprüfen die korrekte und unveränderte Gefäßsituation, um ein hohes Maß an Sicherheit zu gewährleisten. Dann verabreicht der Nuklearmediziner innerhalb von 1-2 min die SIRT-Partikel).
Nach Entfernung des Katheters wird wenn möglich ein Verschlusssystem in die Leistenarterie eingebracht und/oder ein Druckverband angelegt. Anschließend müssen Sie ca. 6h Bettruhe einhalten. In unserer Klinik wird die Verteilung der Mikrosphären durch eine ungefährliche Szinitigraphie dokumentiert. Im Anschluß werden je nach Bedarf begleitende Medikamente verabreicht, um eventuelle, seltenere Nebenwirkungen wie z.B. Oberbauchdruck, Übelkeit geringer Temperaturanstieg zu vermeiden. Aufgrund gesetzlicher Bestimmungen ist in Deutschland ein mindestens 2-tägiger Aufenthalt auf einer nuklearmedizinischen Therapiestation vorgeschrieben. Eine Entlassung erfolgt in der Regel 2 - 3 Tage nach Therapie in Abhängigkeit vom Allgemeinbefinden.
Welche Nebenwirkungen sind möglich?
Im Allgemeinen wird die SIRT sehr gut vertragen. Nebenwirkungen sind selten und beschränken sich meist auf ein gewisses Druckgefühl im Oberbauch, gelegentlich eine geringe Temperaturerhöhung und geringe Übelkeit für kurze Zeit. Diese lassen sich sehr gut mit Standardmedikamenten behandeln und sind nach 1-2 Tagen wieder abgeklungen. Oft wird in den Tagen nach Therapie über Müdigkeit und Appetitlosigkeit geklagt.
Schwere Nebenwirkungen sind sehr selten. So können trotz aller Vorsicht Mikrosphären in andere Organe abfliessen und dort zu Gewebsschäden führen (z.B. Gallenblase, Magen, Darm). Weiterhin kann aufgrund der Strahlenexposition eine zeitweise oder bleibende Leberfunktionsverschlechterung ausgelöst werden. Diese Effekte sind meist erst ca. 8 Wochen nach Therapie zu beobachten.
Welche Erfolge sind zu erwarten?
Die SIRT ist kein kuratives Verfahren, kann also den Lebertumor nicht heilen, sondern ein palliatives Verfahren, welches zu einer verbesserten Lebensqualität und einer längeren Überlebenszeit führen kann. So kann beispielsweise durch eine Tumorverkleinerung eine operative Behandlung oder eine Transplantation erst möglich gemacht werden. Als Erfolgsparameter werden neben der Verkleinerung und der Stoffwechselabnahme v.a. die Abnahme der Tumormarker beobachtet.
Wie geht es nach der Therapie weiter?
Die regelmäßige Nachsorge sollte durch den betreuenden Onkologen erfolgen. Dieser ist der primäre Ansprechpartner für Fragen zum weiteren Vorgehen. Die Nachsorge sollte durch regelmäßige Untersuchungen mit PET/CT, MRT und Laborkontrollen (i.d.R. alle 3 Monate) unterstützt werden.
Wer übernimmt die Kosten für die Behandlung?
Die SIRT ist keine Leistung der gesetzlichen Krankenkassen und stellt eine kostenintensive Behandlungsmaßnahme dar, für die an einzelnen, spezialisierten Zentren wie dem Universitätsklinikum Halle die Kosten im Rahmen spezieller Verträge von den Krankenkassen übernommen werden. Somit entstehen dem Patienten keine zusätzlichen Kosten. Sollten Patienten nicht in Deutschland krankenversichert sein, bitten wir um rechtzeitige Kontaktaufnahme, um die Kostenübernahme durch ggf. ausländische Krankenkassen im Vorfeld rechtzeitig zu klären.
An der Klinik für Nuklearmedizin des Universitätsklinikums Halle wird diese Therapieform in Zusammenarbeit mit den Kollegen der Universitätsklinik und Poliklinik für Radiologie durchgeführt.