Beschleunigtes biologisches Altern und die Rolle sozioökonomischer Faktoren
Ansprechpartner*innen am IMS
Leitung: Dr. Anja Knöchelmann
Mitarbeit: Tobias Rähse, M.A.; Dr. Max Herke
Kooperationspartner*in:
Prof. Dr. Andreas Simm und Dr. Anne Großkopf aus dem Forschungslabor der Universitätsklinik und Poliklinik für Herzchirurgie des Universitätsklinikums Halle (Saale)
Hintergrund der Studie
Ein breites Spektrum an Forschungsergebnissen belegt, dass sozioökonomisch benachteiligte Personen häufiger an bestimmten chronischen Erkrankungen leiden und eine geringere Lebenserwartung haben als ihre weniger benachteiligte Vergleichsgruppe. Inwiefern diese Faktoren bedeutsam sind für Alterungsprozesse wurde bislang nur unzureichend untersucht.
Ein Großteil der Forschung beschränkt sich auf die Untersuchung des Erlebens von Benachteiligungen während kritischer Perioden und der Ausbildung von Krankheit im späteren Lebensverlauf oder auf die Bedeutung kumulativer Effekte von Benachteiligung für die Gesundheit. Dabei werden vorrangig sozioökonomische Faktoren einbezogen, während die Bedeutung materieller, psychosozialer und verhaltensbezogener Aspekte, die sich in querschnittlichen Untersuchungen als bedeutsam herausgestellt haben, nur selten beleuchtet werden. Gleiches gilt für die zugrundeliegenden biologischen Prozesse, bei denen vermutetet werden kann, dass sie den Zusammenhang zwischen sozialer Benachteiligung und erhöhter Mortalität erklären.
Der der bio-psychosoziale Ansatz legt nahe, dass sich die Auswirkungen dieser Benachteiligungen auch auf zellulärer Ebene, insbesondere im Epigenommanifestieren können. Epigenetische Veränderungen, sind dabei nicht nur Marker für vergangene soziale und biologische Belastungen, sondern können auch Einfluss auf die Entwicklung altersassoziierter Erkrankungen nehmen. Auch wenn das Epigenom durch Umwelteinflüsse, Stress und soziale Belastungen nachhaltig verändert werden kann, sind diese Veränderungen potenziell reversibel, was sie zu einem vielversprechenden Ansatzpunkt für präventive und therapeutische Maßnahmen macht.
Diese Zusammenhänge wurden bislang vor allem in Großbritannien untersucht, während die Daten- und Studienlage in anderen Ländern, insbesondere in Deutschland, noch sehr begrenzt ist. Zudem bleibt bislang weitgehend unklar, wie sich das Erleben von Benachteiligungen in verschiedenen Lebensphasen auf diese Alterungsprozesse auswirkt.
Ziele des Projekts
In einem ersten Schritt werden epigenetische Uhren identifiziert, die am stärksten mit dem kalendarischen Alter assoziiert sind. Darauf aufbauend erfolgt die Berechnung beschleunigten Alterns, wobei mögliche Unterschiede in den verschiedenen sozioökonomischen Statusgruppen Beachtung finden werden. Abschließend wird untersucht, inwiefern sich Lebensphasen identifizieren lassen, in denen beschleunigtes Altern besonders beobachtet werden kann.
Konkret wird untersucht:
- Wie gut verschiedene epigenetische Uhren das chronologische Alter vorhersagen und inwiefern diese sich dabei voneinander unterscheiden.
- Ob sich in einzelnen Altersgruppen größere Abweichungen zwischen epigenetischem und kalendarischem Alter zeigen (Bouts of Ageing).
- Inwiefern beschleunigtes biologisches Altern mit spezifischen Lebensumständen bzw. der Zugehörigkeit zu bestimmten sozioökonomischen Gruppen korreliert ist.
Daten und Methoden
Understanding Society (The UK Household Longitudinal Study), ist eine der weltweit größten Längsschnittstudien die zudem epigenetische Informationen auf DNA-Methylierungsbasis mit umfassenden demografischen, sozialen und gesundheitlichen Variablen kombiniert. Mit etwa 100.000 jährlich befragten Teilnehmenden stellt sie qualitativ hochwertige Daten zu Themen wie Gesundheit, Bildung, Einkommen und Familie über einen langen Zeitraum bereit.
Für das Forschungsfeld SOCIO:AGE bietet Understanding Society die einzigartige Möglichkeit, subjektive Befragungsdaten mit objektiven biologischen Markern zu verknüpfen. Diese Datenbasis erlaubt eine detaillierte Untersuchung der Wechselwirkungen zwischen sozialen Determinanten und epigenetischen Veränderungen sowie deren Auswirkungen auf biologisches Altern und gesundheitliche Ungleichheit.
Statistische Analysen wie Regressions- und Moderatoranalysen werden verwendet, um die Verbindungen zwischen den sozialen und biologischen Dimensionen des Alterns in einem zunächst querschnittlichen Ansatz zu modellieren.