Der Einsatz von Psychopharmka spielt insbesondere bei der Behandlung psychischer Erkrankungen wie der Schizophrenie oder der Depression eine große Rolle. Die Identifizierung eines für den Einzelnen geeigneten und wirksamen Medikaments ist jedoch nach wie vor ein meist langwieriger Prozess, der durch das Auftreten von Nebenwirkungen und Therapieresistenzen beeinflusst wird.
Für die Einschätzung der Wirksamkeit ist laut Leitlinien eine minimale Behandlungsdauer von vier bis sechs Wochen erforderlich, entsprechend verzögert sich die Umstellung auf eine alternative, möglicherweise wirksame Therapie bei einem Nichtansprechen.
In einer Metaanalyse zur Ansprechrate auf Psychopharmaka bei Schizophrenie konnten wir bereits zeigen, dass eine fehlende Verbesserung der Symptomatik bereits nach 2 Wochen ein starkes Indiz für ein Nichtansprechen für das eingesetzte Antipsychotikum war. Diese Patienten profitieren höchtswahrscheinlich von einem schnellem Wechsel auf ein anderes Medikament (Samara et al. 2015).
Samara MT, Leucht C, Leeflang MM, Anghelescu IG, Chung YC, Crespo-Facorro B, Elkis H, Hatta K, Giegling I, Kane JM, Kayo M, Lambert M, Lin CH, Möller HJ, Pelayo-Terán JM, Riedel M, Rujescu D, Schimmelmann BG, Serretti A, Correll CU, Leucht S. (2015) Early Improvement As a Predictor of Later Response to Antipsychotics in Schizophrenia: A Diagnostic Test Review. Am J Psychiatry. Jul:172(7):617-29.
Neben der Optimierung der diagnostischen Instrumente, stellt die vom individuellen Risikoprofil abhängige Auswahl der Medikation einen weiteren Schritt zur optimierten und personalisierten Behandlung dar. Die Identifizierung von Markerprofilen dient dabei einerseits der Vermeidung unerwünschter Nebenwirkungen und soll andererseits Hinweise auf die Wirksamkeit geben.
Ziel pharmakologischer Analysen ist entsprechend die Identifizierung geeigneter Marker, deren Bestimmung bereits vor Behandlungsbeginn eine Vorhersage über das individuelle Risikoprofil und die Wahrscheinlichkeit eines Ansprechens auf die Medikation erlauben. Dies kann durch die Identifizierung geeigneter Biomarker erleichtert werden. Neben klassischen Biomarkern ( i.d.R. Stoffwechselprodukte, die aus dem Blut bestimmt werden) können darunter auch genetische Risikofaktoren oder -profile eingruppiert werden.
So konnte beispielsweise gezeigt werden, dass die Last an genetischen Risikovarianten (gemessen als polgener Risikoscore, PRS) für die Schizophrenie mit zunehmendem Schweregrad der Erkrankung im Sinne einer Behandlungsresistenz steigt (Frank et al. 2015).
Frank J, Lang M, Witt SH, Strohmaier J, Rujescu D, Cichon S, Degenhardt F, Nöthen MM, Collier DA, Ripke S, Naber D, Rietschel M. (2015) Identification of increased genetic risk scores for schizophrenia in treatment-resistant patients. Mol Psychiatry. Feb:20(2):150-1.
Die Bestimmung des PRS könnte entsprechend als Hinweis auf eine geringere Wahrscheinlichkeit des Ansprechens auf Antipsychotika der ersten Wahl dienen. In Kombination mit einer beschleunigten Beurteilung der Wirksamkeit (z.B. fehlende Verbesserung der Symptomatik nach 2 Wochen) ist eine schnellere Umstellung auf das hochwirksame Clozapin denkbar, das aufgrund seines Nebenwirkungsprofils erst bei einer Therapieresistenz empfohlen wird.
Da die Wirksamkeit von Clozapin unbestritten ist, seine Verwendung jedoch in etwa 1 % der Fälle zur Auslösung einer lebensbedrohlichen Agranulozytose führen kann, liegt es nahe, nach prädiktiven Markern zu suchen, deren Bestimmung eine Aussage über das individuelle Risiko erlauben sollte, sodass einerseits das Auftreten von Nebenwirkungen bei gefährdeten Patienten vermieden werden kann und andererseits Patienten ohne Risiko von der schnelleren Zugänglichkeit des Medikament profitieren können.
Die Ursache für das Auftreten dieser Nebenwirkungen ist noch weitgehend unbekannt, es gibt jedoch Hinweise auf eine Beteiligung genetischer Faktoren. Die Durchführung einer ersten genomweiten Assoziationsstudie (GWAS) an 163 Agranulozytose-Patienten führte zur Identifizierung von zwei genomweit signifikant assoziierten Loci in der HLA-Region (HLA-DQB1:126Q und HLA-B:158T)(Goldstein et al. 2014).
Goldstein JI, Jarskog LF, Hilliard C, Alfirevic A, Duncan L, Fourches D, Huang H, Lek M, Neale BM, Ripke S, Shianna K, Szatkiewicz JP, Tropsha A, van den Oord EJ, Cascorbi I, Dettling M, Gazit E, Goff DC, Holden AL, Kelly DL, Malhotra AK, Nielsen J, Pirmohamed M, Rujescu D, Werge T, Levy DL, Josiassen RC, Kennedy JL, Lieberman JA, Daly MJ, Sullivan PF. (2014) Clozapine-induced agranulocytosis is associated with rare HLA-DQB1 and HLA-B alleles.
In einer nachfolgenden GWAS konnte einer der beiden Loci (HLA-DBQ1) in einer Stichprobe aus 66 Neutropenie-Patienten und 5583 Kontrollen unter Clozapinbehandlung bestätigt werden, eine Metaanalyse unter Einbezug der Stichprobe aus der ersten GWAS führte zur Identifizierung einer neuen Assoziation einer Variante, die zwischen zwei Genen für hepatische Transporter (SLCO1B3, SLCO1B7) liegt, und die bereits mit durch Simvastatin induzierter Myopathie und durch Docetaxel induzierter Neutropenie in Verbindung gebracht wurden. Die Exomanalyse ergab eine Assoziation zu seltenen Varianten in zwei weiteren Genen (UBAP2 und STARD9) (Legge et al. 2017).
Legge SE, Hamshere ML, Ripke S, Pardinas AF, Goldstein JI, Rees E, Richards AL, Leonenko G, Jorskog LF; Clozapine-Induced Agranulocytosis Consortium, Chambert KD, Collier DA, Genovese G, Giegling I, Holmans P, Jonasdottir A, Kirov G, McCarroll SA, MacCabe JH, Mantripragada K, Moran JL, Neale BM, Stefansson H, Rujescu D, Daly MJ, Sullivan PF, Owen MJ, O'Donovan MC, Walters JTR. (2017) Genome-wide common and rare variant analysis provides novel insights into clozapine-associated neutropenia. Mol Psychiatry. Oct:22(10):1502-1508.
Innerhalb der OPTiMiSE Studie (Optimization of Treatment and Management of Schizophrenia in Europe), einer Multicenterstudie unter Beteiligung von 27 Zentren in 14 europäischen Ländern und Israel lag der Fokus einerseits auf einer Behandlungsoptimierung und andererseits der Untersuchung neuer therapeutischer Optionen für die Schizophrenie mit dem Ziel möglichst direkt in die Behandlungsleitlinien übertragbarer Empfehlungen und der Identifizierung neuer Strategien für die Entwicklung neuer Medikamente. Patienten mit einer Erstmanifestation einer Schizophrenie, einer schizophrenieformen oder schizoaffektiven Störung wurden in der ersten Phase für 4 Wochen mit Amisulprid behandelt (open label). Konnte keine Verbesserung der Symptomatik verzeichnet werden, wurde anschließend entweder mit Amisulprid oder Olanzapin für 6 Wochen behandelt (doppelt verblindet) und bei Fortbestehen der Symptomatik anschließend Clozapin eingesetzt.
Erste Ergebnisse weisen darauf hin, dass ein Großteil der Patienten, die nicht innerhalb der ersten vier Wochen respondierten, von einem direkten Wechsel von Amisulprid auf Clozapin profitieren könnten, da auch die anschließende 6-wöchige Behandlung mit Olanzapin keine signifikante Reduktion der Symptomatik zeigen konnte (Kahn et al. 2018).
Kahn RS, Winter van Rossum I, Leucht S, McGuire P, Lewis SW, Leboyer M, Arango C, Dazzan P, Drake R, Heres S, Díaz-Caneja CM, Rujescu D, Weiser M, Galderisi S, Glenthøj B, Eijkemans MJC, Fleischhacker WW, Kapur S, Sommer IE; OPTiMiSE study group. (2018) Amisulpride and olanzapine followed by open-label treatment with clozapine in first-episode schizophrenia and schizophreniform disorder (OPTiMiSE): a three-phase switching study. Lancet Psychiatry. 18 Oct 2018:. doi: 10.1016/S2215-0366(18)30252-9.