Der anteriore (vordere) Knieschmerz
Schulkinder ab dem 10. Lebensjahr und Jugendliche können an Schmerzen im Bereich des Kniegelenks leiden, die vor allem rund um die Kniescheibe (Patella) lokalisiert sind. Wenn entzündliche oder rheumatische Ursachen und ein Trauma ausgeschlossen sind, muss man unterscheiden, ob es sich um akute oder chronische, also länger als 3 Wochen bestehende, Schmerzen handelt. Akute Beschwerden sind häufig belastungsabhängig und in vielen Fällen durch eine vorübergehende körperliche Schonung/Sportbefreiung ohne weitere diagnostische oder therapeutische Maßnahmen zu behandeln. In Phasen des beschleunigten Körperlängenwachstums ändern sich stetig die Hebelverhältnisse im Bereich der großen Gelenke; dadurch ändern sich auch die Kräfte, die besonders im Ansatzbereich von Sehnen wirksam werden. Das kann schnell z.B. im Bereich der Patellarsehne zu einer "Überlastung" führen, obwohl sich der Betroffene gar nicht überlastet fühlt, beispielsweise im Rahmen einer intensiven sportlichen Betätigung. Chronische belastungsabhängige Beschwerden unterhalb der Kniescheibe können Hinweis auf eine Strukturschädigung am Ansatz der Patellarsehne (Morbus Osgood-Schlatter) sein (Abb. 1a). Davon zu unterscheiden ist bei akuter Schmerzsymptomatik, z.B. nach einem Pressschlag beim Fußball, ein Abriss der Patellarsehne (Abb. 1b)
Schmerzen auf beiden Seiten der Kniescheibe können mit einer vermehrten seitlichen Zugbelastung zusammenhängen; hier kann das Längenwachstum ebenfalls eine Rolle spielen. Beschwerden verursacht auch eine gestörte Führung der Kniescheibe bei Beugung und Streckung des Kniegelenks, ein sog. Malalignement. Ein zu flaches knöchernes Gleitlager, ein verstärkter seitlicher Zug durch den Halteapparat oder eine Beinfehlstellung kommen ursächlich in Betracht. Neben einer sorgfältigen klinischen Untersuchung können Röntgenaufnahmen oder ein MRT erforderlich sein.
Führt ein solches Malalignement oder eine Instabilität der Kniescheibe zu einer Patellaluxation, ist neben Krankengymnastik zur Kräftigung der Oberschenkelmuskulatur in bestimmten Fällen eine Operation erforderlich, bei der das innere Halteband der Kniescheibe, das mediale patellofemorale Ligament (MPFL, auch: mediales Retinakulum), gestrafft oder durch ein Sehnentransplantat ersetzt wird (MPFL-Plastik).
Schmerzen hinter der Kniescheibe (retropatellare Schmerzen) können bereits ein Hinweis auf Knorpelschäden infolge eines Malalignements oder im Rahmen einer Patellaluxation sein und bedürfen einer dringlichen Abklärung.
Knieverletzungen
Die Patellaluxation leitet bereits zu den Verletzungen des Kniegelenks über, denn neben den vorbestehenden (prädisponierenden, habituellen) Faktoren, die eine Patellaluxation begünstigen, ist in den meisten Fällen ein Unfallmechanismus erforderlich, der die Kniescheibe aus ihrem Gleitlager luxiert. Je größer die unfallbedingte Kraft ist und je weniger ausgeprägt die anlagebedingten anatomischen Veränderungen sind, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit von zusätzlichen Verletzungen im Gelenk. So treten in den meisten Fällen Zerreißungen des inneren Haltebands auf, oder es können Abscherungen von Knorpel-Knochen-Fragmenten, sog. Flakes, oder knöcherne Bandausrisse entstehen. (Abb. 3, 4) Diese müssen in der Regel operiert werden; entweder gelingt eine Refixierung oder sie werden aus dem Gelenk entfernt. Die Refixierung eines großen Ausrissfragments an der Patella (Abb. 4) mit einer Schraube zeigt Abbildung 5.
Besonders bei sportlich aktiven jungen Menschen können Verletzungen der Kreuzbänder und Menisken vorkommen, bei Jugendlichen sind das vor allem isolierte Rupturen oder knöcherne Ausrisse des vorderen Kreuzbands (VKB) und Kombinationsverletzungen von VKB und Meniskus. Solche schweren Knieverletzungen haben in den letzten 15 Jahren deutlich zugenommen, was zum einen durch eine tatsächliche Zunahme von Unfällen, aber auch durch eine verbesserte Diagnostik (MRT) bedingt ist. Jeder blutige Gelenkerguss nach einem Knietrauma muss abgeklärt werden, neben klinischer und Röntgenuntersuchung spielt hierbei das MRT eine wichtige Rolle. Je nach MRT-Befund ist dann über eine Kniegelenkspiegelung (Arthroskopie) zu entscheiden. Wir führen diese im Kindesalter mit modernen Instrumenten und hochauflösender Bildgebung (4K) durch.
Eine Ruptur des vorderen Kreuzbands entsteht vor allem bei multidirektionalen Bewegungen im Kniegelenk, wenn sich der Betroffene gegen den fixierten Unterschenkel bewegt, z.B. beim Fußball oder alpinem Wintersport. Zu unterscheiden sind reine Bandverletzungen von knöchernen Bandausrissen, meistens am Schienbein (Tibia, Abb. 6-9).
Vollständige Rupturen des vorderen Kreuzbands sollten auch bei noch nicht abgeschlossenem Wachstum operativ durch eine arthroskopisch gestützte Kreuzbandersatzplastik versorgt werden. Hierbei kommen wachstumsfugenschonende Fixierungstechniken zum Einsatz. Häufig wird die Semitendinosussehne - eine lange, "entbehrliche" Sehne auf der Oberschenkelrückseite - als Kreuzbandersatz verwendet (Abb. 10, 11). Bei tibialen knöchernen Ausrissverletzungen ist in vielen Fällen eine transtibiale Auszugsnaht möglich, die ebenfalls arthroskopisch erfolgt (Abb. 12, 13).
Rupturen des hinteren Kreuzbands sind bei Jugendlichen selten und werden überwiegend konservativ durch Schienenbehandlung versorgt.
Besondere Sorgfalt ist bei der Behandlung von Meniskusverletzungen im jungen Lebensalter erforderlich. Es gilt immer, dass der Erhalt des Meniskus einer Teilentfernung vorzuziehen ist. Insbesondere der sog. Korbhenkelriss, der mit einer schmerzhaften Bewegungsblockade im Kniegelenk einhergeht, lässt sich meisten erfolgreich arthroskopisch versorgen (Abb. 14-16). Der angeborene Scheibenmeniskus neigt häufiger zu Verletzungen und ist gut im MRT zu diagnostizieren (Abb. 17).
Arthroskopische Knieoperationen führen wir grundsätzlich in einem kurzen stationären Aufenthalt durch. Das ermöglicht eine suffiziente Schmerzbehandlung in der Akutphase nach dem Eingriff und eine schnelle Mobilisierung der Patienten, so dass in der Regel die Entlassung nach wenigen Tagen und der Schulbesuch bereits nach 1-2 Wochen wieder möglich ist.
Die Nachbehandlung ist genauso wichtig wie die Operation. Wir betreuen unsere Patienten in einer Spezialsprechstunde für Knieverletzungen über mehrere Monate nach. Häufig ist das Tragen einer Knieorthese über 6 Wochen erforderlich. Danach schließt sich eine ambulante Rehabilitation über 2-3 Wochen an. Ambulante Kontrollen werden auch über das 16. Lebensjahr hinaus in jährlichem Abstand durchgeführt, um Spätfolgen oder -komplikationen rechtzeitig zu erkennen.