Die Bitten um Suizidassistenz nehmen in Deutschland zu. Sie werfen schwierige Fragen auf: Welche Art von Aufklärung und Beratung sollen Menschen erhalten, die ihren Todeswunsch äußern, und unter welchen Voraussetzungen sollte eine Assistenz bei der Selbsttötung überhaupt erwogen werden? Zu diesen und weiteren Fragen will ein Forschungsnetzwerk unter Federführung der Universitätsmedizin Halle fundierte Handlungsoptionen aufzeigen. Das Vorhaben wird durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
„Die Assistenz zur Selbsttötung ist angesichts der Tragweite für die Betroffenen, ihre Angehörigen, aber auch für die Gesellschaft ein kontrovers diskutiertes Thema, das tiefgreifende ethische und darüber hinaus gehende Fragen aufwirft. Bislang fehlt es weitgehend an wissenschaftlich gestützten Verfahren, wie mit Anfragen nach Suizidassistenz, die in ganz unterschiedlichen Lebenssituationen und aus sehr verschiedenen Motiven entstehen, verantwortungsvoll umgegangen werden kann“, erklärt Prof. Dr. Jan Schildmann, Sprecher des Forschungsnetzwerks Suizidassistenz und Direktor des Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin an der Universitätsmedizin Halle.
Kunst, Theater, Musik: Die Teilhabe von Menschen mit Demenz an kulturellen Angeboten war Thema einer Fachkonferenz am 16. September 2024. Rund 120 Personen aus den Bereichen Kultur sowie Gesundheit und Pflege vernetzten sich hierzu im halleschen Puschkinhaus. Der Austausch sollte auch dazu anregen, künftig weitere Projekte zur kulturellen Teilhabe von Menschen mit Demenz zu entwickeln. In Kooperation mit der Psychosozialen Arbeitsgemeinschaft Halle/Saalekreis und dem Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt hatte das Landeskompetenzzentrum Demenz zur Fachtagung geladen.
Eine Gruppe von Forschenden aus der Pflegewissenschaft erhält den Wissenschaftspreis des EbM-Netzwerks 2024 für zwei Cochrane Reviews zu Interventionen zur Reduktion von freiheitsentziehenden Maßnahmen bzw. von Antipsychotika in der Langzeitpflege von älteren Menschen mit kognitiven Einschränkungen oder demenziellen Erkrankungen. Die Arbeiten haben eine große Bedeutung für die Verbesserung der Qualität der Versorgung von älteren Menschen.
Weltweit steigt die Zahl älterer Menschen und mit ihr die Zahl von Menschen mit demenziellen Erkrankungen. Ob im häuslichen Umfeld, in der ambulanten oder der stationären Pflege: die Betreuung und Pflege dieser Menschen stellen eine große gesellschaftliche Herausforderung dar. Um Stürze zu vermeiden oder als herausfordernd wahrgenommene Verhaltensweisen besser kontrollieren zu können, werden in der Pflege älterer Menschen mit Demenz häufig freiheitsentziehende Maßnahmen (FEM) wie Bettgitter oder Fixiergurte, oder Antipsychotika, d. h. Medikamente zur Reduktion von Unruhe, eingesetzt. Beide Maßnahmen werden kontrovers diskutiert, da ihr Einsatz die gewünschten Behandlungs- bzw. Therapieziele meist nicht erreicht, für die Betroffenen jedoch verschiedene negative Folgen für die Gesundheit haben kann. Daher wird in wissenschaftlichen Leitlinien und Fachverbänden in vielen Ländern seit langem gefordert, diese Maßnahmen zu vermeiden.
Die Ermittlung des aktuellen Kenntnisstands zum Nutzen und Schaden von Programmen, die FEM und Antipsychotika reduzieren sollen, ist daher eine wichtige Aufgabe und Grundlage für die evidenzbasierte Entscheidungsfindung für oder gegen ihren Einsatz. Dieser Aufgabe hat sich eine Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern um Ralph Möhler (Institut für Versorgungsforschung und Gesundheitsökonomie, Universitätsklinikum Düsseldorf) angenommen, in enger Zusammenarbeit mit Gabriele Meyer (Universität Halle/Wittenberg) und Sascha Köpke (Universität Köln), die dieses Thema bereits seit vielen Jahren beforschen.
Im ersten Review gingen die Autorinnen und Autoren der Frage nach, welchen Effekt Interventionen zur Vermeidung und Verringerung von FEM bei älteren Menschen in der Langzeitpflege haben. In den Review wurden 11 Studien mit 19.000 Menschen mit Demenz eingeschlossen. Möhler et al. fanden Evidenz von moderater Vertrauenswürdigkeit dafür, dass organisationsbezogene Interventionen mit dem Ziel der Umsetzung einer „So-wenig-FEM-wie-möglich“-Strategie wahrscheinlich zu einer Verringerung der Anzahl von Personen, bei denen mindestens eine FEM angewendet wird, und einer starken Verringerung der Anzahl von Personen, bei denen mindestens ein Fixiergurt zur Anwendung kommt, führen. Sie fanden keine Evidenz für unerwünschte Effekte wie Stürze. Die untersuchten Interventionen zielen auf Veränderungen von Prozessen und der Kultur in den Pflegeeinrichtungen. Edukative Interventionen ohne einen organisationalen Ansatz scheinen dagegen keinen Nutzen zu haben.
Im zweiten Review wurde die Frage untersucht, welchen Effekt psychosoziale, d. h. nicht-medikamentöse, Interventionen zur Verringerung des Einsatzes von antipsychotischen Medikamenten bei älteren Menschen mit Demenz in Pflegeeinrichtungen haben. In den Review wurden fünf Studien mit rund 8.300 Teilnehmenden eingeschlossen. Die Studien waren sehr heterogen und unterschieden sich in der Richtung der Effekte der untersuchten Interventionen. Zudem war die Berichterstattung zu den komplexen Interventionen unvollständig. Aufgrund dieser Probleme und der geringen Studienzahl urteilten die Autorinnen und Autoren, dass es keine ausreichende Evidenz für die Formulierung von eindeutigen und belastbaren Schlussfolgerungen gibt.
In ihrer Laudatio betonte Cordula Braun (Ko-Sprecherin des Fachbereichs Gesundheitsfachberufe im EbM-Netzwerk) die hohe Relevanz der beiden systematischen Reviews für die Versorgung pflegebedürftiger älterer Menschen mit demenziellen Erkrankungen hervor. Beide Arbeiten seien sorgfältig nach den hohen methodischen Standards von Cochrane erstellt worden und berücksichtigen dabei differenziert die Komplexität der untersuchten Intervention. Sie gingen damit über die üblichen Standards für systematische Reviews hinaus. Dies sei ein Grund für die Entscheidung der Jury für die Auswahl dieser Bewerbung für den David-Sackett gewesen. Cordula Braun hob weiter die hohe Bedeutung von systematischen Reviews für die evidenzbasierte Gesundheitsversorgung hervor. Systematische Reviews seien gerade deshalb so bedeutsam, weil sie - entgegen der isolierten Betrachtung einzelner Studien - ein verlässliches Gesamtbild des wissenschaftlichen Kenntnisstandes zu einer gesundheitsbezogenen Fragestellung ermöglichten. Zurecht würde kritisiert, dass eine hohe und zunehmende Zahl der publizierten systematischen Reviews von unzureichender Qualität ist. Daher sei es besonders wichtig, die Bedeutung hochwertiger systematischer Reviews zu versorgungsrelevanten Fragestellungen zu betonen und positive Beispiele hervorzuheben. Dies geschehe mit Auszeichnung der Wissenschaftlergruppe um Ralph Möhler für ihre beiden Cochrane Reviews zur pflegerischen Versorgung von älteren Menschen mit dementiellen Erkrankungen mit dem David-Sackett-Preis 2024. Die Auszeichnung würdigt auch die langjährige Forschungsaktivität der Gruppe in diesem hochrelevanten Themenbereich.
Mit dem David-Sackett-Preis ausgezeichnete Cochrane Reviews:
Möhler R, Richter T, Köpke S, Meyer G. Interventions for preventing and reducing the use of physical restraints for older people in all long-term care settings. Cochrane Database Syst Rev 2023;(7):CD007546
Lühnen J, Richter T, Calo S, Meyer G, Köpke S, Möhler R. Psychosocial interventions for reducing antipsychotic medication in care home residents. Cochrane Database Syst Rev 2023;(8):CD008634
Am 23.04.2024 fand die jährliche PZG-Klausurtagung statt. Als Gäste waren die Dekanin der medizinischen Fakultät Frau Prof. Kielstein geladen, welche die Strategie der Fakultät sowie die Zielvereinbarung mit dem Land erläuterte. Die Stellung des PZG stand dabei im Mittelpunkt. Weitere Gäste waren die Prodekane Frau Prof. Wickenhauser, Herr Prof. Wohlgemuth, Herr Prof. Horstkorte sowie Herr Prof. Vordermark. Zudem berichteten alle Mitgliedseinrichtungen des PZG über Ihre Forschungsschwerpunkte, aktuelle Projekte und die bisher erreichten Synergien untereinander. Weitere interdisziplinäre Zusammenarbeiten wurden vereinbart.
Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Medizinische Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg haben eine Absichtserklärung zur weiteren Zusammenarbeit in der globalen Krebsforschung unterzeichnet. Die Vereinbarung soll die Kooperation zur Förderung qualitativ hochwertiger Forschung gegen Krebs festigen.
Bereits seit vielen Jahren arbeiten die IARC und die Universitätsmedizin Halle auf internationaler Ebene zusammen. Die aktuelle Absichtserklärung baut dieses Fundament aus. „Gemeinsam mit der IARC verfolgen wir das Ziel, neue Forschungsvorhaben in der Epidemiologie, Versorgungsforschung und molekularen Pathologie von Krebs auf den Weg zu bringen. Zudem wollen wir bestehende Projekte fördern und das internationale Netzwerk dahinter zukünftig sichtbarer machen“, erklärt Prof. Dr. Eva Kantelhardt, Leiterin der Arbeitsgruppe „Globale Gesundheit“ im Profilzentrum Gesundheitswissenschaften an der Universitätsmedizin Halle. In Lyon unterzeichnete sie die Erklärung gemeinsam mit Dr. Elisabete Weiderpass, IARC-Direktorin, und Dr. Freddie Bray, Leiter der Zweigstelle für Krebsüberwachung der IARC.
Konkret soll die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit dem Netzwerk afrikanischer Krebsregister (AFCRN) ausgebaut werden, an dem 24 Länder in Subsahara-Afrika beteiligt sind. Dafür gelte es unter anderem, den Austausch mit den angeschlossenen Krebszentren zu erleichtern und Kapazitäten aufzubauen, beispielsweise durch die akademische Ausbildung innerhalb des Netzwerkes, so Kantelhardt.
5. PZG-Symposium "Klima und Gesundheit - dem Wandel begegnen" am 6. Juni 2023 - Save the Date!
Das Profilzentrum Gesundheitswissenschaften (PZG) der Medizinischen Fakultät und die AG Nachhaltigkeit der Universitätsmedizin Halle (Saale) laden Sie zu einer Veranstaltung ein zum Thema
„Klima und Gesundheit – dem Wandel begegnen“ am Dienstag, 6. Juni 2023
(15.30 – 18.30 Uhr), am Universitätsklinikum Halle/S.
Der Klimawandel hat in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen. Auch in Deutschland sind die Auswirkungen auf die Gesundheit, wie z. B. durch anhaltende Hitze, zu spüren. Daher stellt sich die Frage, ob und welcher Form das deutsche Gesundheitswesen - und konkret die Universitätsmedizin Halle - dem Klimawandel begegnen kann. Es erwarten Sie spannende Vorträge interner und externer Referent:innen zum aktuellen Forschungsstand in den Bereichen
- Klima und Gesundheit,
- Transformation im Gesundheitswesen sowie
- Klimaschutz & Ressourcenschonung unserer Universitätsmedizin.
Im Anschluss erhalten Sie die Gelegenheit, sich an verschiedenen Thementischen einzubringen und mit den Ansprechpartner:innen in den Austausch zu treten.
Wir freuen uns dabei besonders auf die Beteiligung vieler Interessierter aus allen Berufsgruppen sowie Studierender verschiedener Fachrichtungen.
- Nähere Informationen zum Programm folgen. -
Das Symposium sowie der anschließende Workshop sind Teil der universitätsoffenen Veranstaltungsreihe „Versorgungsforschung trifft Klinik“ des PZG. Diese hat das Ziel, die Versorgungsforschung in der Universitätsmedizin Halle (Saale) noch präsenter zu machen, zu stärken und Vernetzungen zu klinischen Fächern auszuweiten.
Landeskompetenzzentrum Demenz startet
Januar 2023
Im Januar 2023 startete der Aufbau des „Landeskompetenzzentrums Demenz“ in Sachsen-Anhalt unter Koordination und auf Basis eines Konzepts des im PZG beteiligten Instituts für Gesundheits- und Pflegewissenschaft (IGWP) ofiziell. Ziel des Modellprojekts ist es, die Versorgungsstrukturen für Demenzerkrankte und ihre Angehörigen nachhaltig zu optimieren und auszuweiten. Ein Schwerpunkt ist dabei das Erarbeiten einer Demenzstrategie für das Land. Zudem soll die Zusammenarbeit mit und von Akteur:innen der pflegerischen, medizinischen und sozialen Versorgung sowie der Selbsthilfe und Vertreter:innen Betroffener verbessert werden. Dazu wird ein landesweites Netzwerk auf- und ausgebaut. Ein weiteres wichtiges Anliegen des Projekts ist es, die Gesellschaft mehr für Demenzerkrankungen zu sensibilisieren.
Das Vorhaben wird bis Ende November 2025 mit insgesamt 327.000 Euro gefördert, jeweils zur Hälfte aus Mitteln des Landes sowie aus der sozialen und privaten Pflegeversicherung.
Weitere Informationen und Quellen:
- zur Pressemitteilung des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt vom 11.01.2023
- Neue HeReCa-Publikationen erschienen
(Februar 2023) - Landeskompetenzzentrum Demenz startet
(Januar 2023) - Veranstaltung "Klima und Gesundheit - dem Wandel begegnen" (5. PZG-Symposium) am 6.6.2023 am UKH >>> Save the Date! <<< ...weiterlesen
- Prof. Dr. Eva Kantelhardt neue PZG-Sprecherin (05/2023)
- Neue HeReCa-Publikationen erschienen (02/2023)
- Landeskompetenzzentrum Demenz startet (01/2023)
- PZG-Jahresbericht 2020/2021 (Download-Link)
AG Global Health neues Kernmitglied im PZG
Die AG Global Health, vertreten durch die Leiterin und neu berufene Professorin für "Comparative Public Health" an der Universitätsmedizin Halle, Fr. Prof. Dr. Eva Kantelhardt, ist seit November 2022 neue Kernmitgliedseinrichtung im Profilzentrum Gesundheitswissenschaften. ...weitere Informationen im Beitrag der Pressestelle der UMH
4. PZG-Symposium "Versorgungsforschung für und mit ältere/n Menschen" am 24.10.2022
Prof. Dr. Thorsten Meyer (neuer Direktor des Instituts für Rehabilitationsmedizin an der Universitätsmedizin Halle) verstärkt erweiterten PZG-Vorstand...zum Beitrag der Pressestelle der UMH
PZG-Jahresbericht 2020/2021 erschienen (Download-Link)
Erfolgreiches 3. PZG-Symposium „Onkologische Versorgungsforschung“ - 7.4.2022
- Reihe „Versorgungsforschung trifft Klinik" -...zum Programmflyer
Prof. Dr. Patrick Jahn verstärkt geschäftsführenden PZG-Vorstand
Zum 1. März 2022 tritt Prof. Dr. Patrick Jahn (Leiter der AG Versorgungsforschung | Pflege im Krankenhaus) sein Amt als Mitglied des geschäftsführenden PZG-Vorstandes an. Er übernimmt dort die Position des ausscheidenden Vorstandsmitglieds Prof. Dr. Matthias Richter (Direktor des Instituts für Medizinische Soziologie), der an die Technische Universität München wechselt. ...weiter
Universitätsklinik und Poliklinik für Altersmedizin wird Mitgliedseinrichtung im PZG
Die Universitätsklinik und Poliklinik für Altersmedizin (UKH), vertreten durch Direktor Prof. Dr. Tino Prell, ist seit Dezember 2021 neue Mitgliedseinrichtung im Profilzentrum Gesundheitswissenschaften.
Junior-Professor Dr. Alexander Kuhlmann neu im PZG
Dr. Kuhlmann hat am 1. September 2021 die Juniorprofessur „Gesundheitsökonomie / Versorgungsforschung“ an der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg angetreten. Die von ihm geleitete Nachwuchsgruppe wird zudem neues Mitglied im Profilzentrum Gesundheitswissenschaften (PZG). Mit der Erweiterung im Bereich der Gesundheitsökonomie werden die Möglichkeiten der Versorgungsforschung im PZG zusätzlich gestärkt.
Den im September 2020 erschienen PZG-Jahresbericht 2019 ("Annual Report 2019" - Link) können Sie hier über den Link herunterladen.