Der Akademische Mittelbau der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg leistet einen erheblichen Beitrag zu den Fachveröffentlichungen. Dazu gehören Wissenschaftler:innen, die an einem Lehrstuhl forschen, aber selbst keinen innehaben, beispielsweise Postdoktorand:innen und außerplanmäßige Professor:innen.
Zum achten Mal in Folge vergibt die Medizinische Fakultät insgesamt zusätzlich 100.000 Euro an zehn Wissenschaftler:innen, um hochrangige Publikationsleistungen zu honorieren. Grundlage dafür ist die Analyse der Leistung über den Publikationsanteil in Fachveröffentlichungen innerhalb des Jahres 2021. Das Geld kann 2023 für Forschungszwecke eingesetzt werden.
Wir wollten von den Preisträger:innen wissen, was ihre aktuelle Forschung bewegt, was das für die Praxis bedeutet und wie ein Transfer gelingen kann:
Stellvertretender Direktor der Universitätsklinik und Poliklinik für Radiologie
Aktuell forscht Dr. Brill an Gefäßanomalien und –pathologien, also Fehlbildungen und Erkrankungen von Blutgefäßen. Sein Ziel: Entwicklung neuer interventioneller Methoden und Techniken. „Auch in der Radiologie sind minimalinvasive Eingriffe möglich und gewinnen an Bedeutung, da sie sich bildgestützt optimal und millimetergenau steuern lassen“, erklärt Dr. Brill.
Die Evaluation vor und nach einem Eingriff erfolgt mit Bildgebung und klinischen Parametern unter Berücksichtigung der Lebensqualität. „Die Wechselbeziehung dieser Aspekte ist die Basis für neue Ansätze auf diesem Gebiet.“ Auch die Weiterentwicklung und Behandlung des akuten Gefäßverschlusses im Kopf, der sogenannte Schlaganfall, sind ihm wichtig. Ziel ist es, die Gefäßerkrankung optimal, dem neuesten Stand wissenschaftlicher Ergebnisse und Methoden zu behandeln und zum Wohle der Patient:innen einzusetzen.
Leiter Forschungslabor der Universitätsklinik und Poliklinik für Innere Medizin IV
Ob bisher unbekannte Faktoren beispielsweise tumorfördernde oder -suppressive Eigenschaften haben, untersucht Prof. Edemir unter Laborbedingungen im Rahmen seiner Forschungsprojekte. „In beiden Fällen ist es wichtig, die Funktion dieser Faktoren näher zu charakterisieren“, betont Edemir.
„Denn nur wenn die physiologische Funktion eines Faktors bekannt ist, können therapeutische Maßnahmen entwickelt werden, um die Funktion dieser Faktoren beeinflussen und somit auch die Behandlung von Krebserkrankungen verbessern zu können.“ Sein Team untersucht aktuell die Funktion von mehreren Faktoren, die einen Einfluss auf das Tumorwachstum haben und sich somit zukünftig als neue therapeutische Ziele eignen könnten.
Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut für Pharmakologie und Toxikologie
Welche Wirkung haben bestimmte Moleküle wie z.B. Serotonin und Histamin auf die Funktion von gesunden und kranken Herzen und deren Signalverarbeitung? Das untersucht Dr. Gergs und das Team des Instituts für Pharmakologie und Toxikologie. „Unsere Forschung beginnt bei den entsprechenden Rezeptoren für diese Signalmoleküle, geht über die Signalweiterleitung in der Herzmuskelzelle, bei der ein Schwerpunkt die Phosphorylierung regulatorischer Proteine ist und endet bei der Untersuchung der Genexpression“, so Gergs.
Störungen an verschiedenen Stellen dieser Signalwege können z.B. zu Herzhypertrophie und Herzinsuffizienz führen. Die Arbeit mit gentechnisch veränderten Mausmodellen ist dafür eine wichtige Grundlage, um neue Erkenntnisse zu gewinnen.
Professorin für Comparative Public Health an der Universitätsklinik und Poliklinik für Gynäkologie und dem Institut für Medizinische Epidemiologie, Biometrie und Informatik
Die Krebssterblichkeit ist in Ländern mit begrenzten Ressourcen besonders hoch, da die Gesundheitssysteme zusätzlichen Herausforderung gegenüberstehen. Deshalb untersucht Prof. Kantelhardt wie sich eine evidenzbasierte onkologische Versorgung in Ländern mit begrenzten Ressourcen für alle zugänglich umsetzen lässt. „Frauen sind besonders betroffen, da Brust- und Gebärmutterhalskrebs in vielen Ländern des globalen Südens zu den häufigsten Krebserkrankungen zählen“, beschreibt Kantelhardt.
„Weltweit gibt es Ungleichheiten im Zugang zu Vorsorge, Früherkennung und Therapie von Krebserkrankungen. Existierende und nachweislich gute Interventionen zur Senkung der Krebslast sind bisher aber nicht angemessen eingeführt.“ Die AG Global Health entwickelt, untersucht und optimiert mit ihren Partnern solche Interventionen und deren Zugänglichkeit zur besseren globalen Krebsversorgung.
Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Universitätsklinik und Poliklinik für Innere Medizin IV
Die Behandlung von bösartigen Lymphomen ist herausfordernd, da diese sehr dynamisch sein können. Marker, die eine Transformation der Erkrankung frühzeitig anzeigen, wären hilfreich, um Therapien entsprechend anzupassen. Dr. Paschold forscht deshalb an Lymphomen, um Einblicke in die Evolution des Tumors und wiederauftretende Folgeerkrankungen zu erlangen.
„Mittels Next-Generation Sequencing (NGS) stellen wir Zusammenhänge zwischen der Erkrankung und den zugrundeliegenden genetischen Abweichungen in entarteten B-Lymphozyten her“, führt Dr. Paschold aus. „Auf diese Weise konnten wir Hinweise zum Entstehungsmechanismus eines speziellen Subtyps der chronisch lymphatischen Leukämie (CLL) erhalten.“ Die Daten zeigen, dass NGS bereits einen wichtigen Beitrag in der Diagnostik von Lymphomen leisten kann, so Paschold.
Leiter Audiologie und Forschung der Universitätsklinik und Poliklinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie
„Gutes Hören für alle“ ist das Ziel der Arbeit von Prof. Rahne. Seit vielen Jahren ist er dafür in einem großen Team aus den Fachgebieten der Medizinphysik, Biologie, Pharmazie und Medizin aktiv. „Unsere Hörforschung befasst sich mit der auditiven Verarbeitung von Schallsignalen im Hörkortex, Interaktionen mit anderen Sinnen und psychoakustischen Phänomenen“, erklärt Rahne.
„Hier arbeiten wir beispielsweise in schallisolierten Messkammern mit einem Vielkanal-Elektroencephalogramm-System und einen hochaufgelösten Richtungshörmessplatz.“ Ein weiteres Forschungsfeld ist die Optimierung der Signalverarbeitung von Cochlea- und anderen aktiven Hörimplantaten bei Patient:innen. „Ich bin zudem in mehreren großen multizentrischen Studien zu neuen Wirkstoffen tätig, die auf den Schutz gegen Hörverlust und seltenen Tumoren im Hör- und Gleichgewichtsorgan abzielen“, so Rahne.
Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universitätsklinik und Poliklinik für Innere Medizin IV
„Die Behandlung von Krebserkrankungen wurde durch die Entwicklung von Immun-Checkpoint-Inhibitoren revolutioniert“, erläutert Dr. Schultheiß. Dabei werden mittels Antikörpergabe bestimmte immunologische Kontrollpunkte außer Gefecht gesetzt, die vom Krebs genutzt werden, um sich vor dem Immunsystem zu schützen.
Leider schlägt diese Therapie nur bei einem Teil aller Patient:innen an und im Laufe der Behandlung können Resistenzen auftreten, so Schultheiß. „Ein Schwerpunkt unserer Forschung ist deshalb die Identifizierung von Faktoren, die ein individuelles Therapieansprechen bzw. Krankheitsrückfälle frühzeitig anzeigen.“ Die zellulären Mechanismen, mit denen sich Krebszellen der Immuntherapie entziehen, zählen deshalb ebenfalls zu den zentralen Fragen seiner Forschung.
Leiter des Forschungslabors für Experimentelle Orthopädie und Sportmedizin am Department für Orthopädie, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie (DOUW)
Die Verbesserung der Bewegungsanalyse ist Kern der orthopädischen Forschung von Prof. Schwesig. „Insbesondere im höheren Lebensalter ist die sogenannte Sturzrisikodiagnostik von großer Bedeutung, speziell die Gang- und Gleichgewichtsanalyse“, berichtet er. „Aber auch nach einer Kreuzbandruptur bzw. -operation verändert sich die Gleichgewichtsregulation. Insofern versuchen wir die Fragestellungen möglichst ganzheitlich und disziplinübergreifend zu bearbeiten.“
Im Bereich der Sportmedizin arbeitet Prof. Schwesig daran, die Leistungsdiagnostik in den Teamsportarten wie Fußball oder Eishockey zu verbessern. „Wichtig ist hierbei der Schulterschluss mit der Praxis, um das Training wirksamer und effektiver gestalten zu können“, betont Schwesig.
Stellvertretender Direktor des Instituts für Medizinische Epidemiologie, Biometrie und Informatik
Im Mittelpunkt der Arbeit von Prof. Wienke als Biometriker steht die Weiterentwicklung und Anwendung von Methoden der klinischen Forschung: „Es geht beispielsweise darum zu planen, wie viele Patientinnen und Patienten in einer klinischen Studie benötigt werden, um Aussagen zur Wirksamkeit einer Behandlung mit einer gewissen Sicherheit machen zu können“, erklärt er.
„Welche Variablen sollen erhoben werden und welche Studiendesigns kommen in Frage? Wie werden die gesammelten Daten optimal ausgewertet und welche Schlussfolgerungen kann man aus den Ergebnissen ziehen?“ Mit einem Fokus auf solchen Fragen möchte Wienke die medizinische Forschung an der Fakultät unterstützen und einen Beitrag für deren hohe methodische Qualität leisten.
Stellvertretender Direktor der Universitätsklinik und Poliklinik für Dermatologie und Venerologie
Mit seiner Arbeitsgruppe entwickelt Prof. Wohlrab neue pharmazeutische Formulierungen zur Anwendung auf der Haut. Damit soll die systemische Aufnahme von Problemarzneistoffen im gesamten Körper in Form von Tabletten oder Spritzen umgangen werden. „Wir nutzen vielfältige Methoden und Modelle, um die entwickelten Präparationen wirksam und sicher zu entwickeln“, erläutert Wohlrab.
„In Studien an Proband:innen oder Patient:innen werden sowohl die klinischen Effekte als auch die Verträglichkeit der Neuentwicklungen nachgewiesen." Neben Projekten zur Entzündungshemmung, Tumortherapie und Infektionsbekämpfung befasst sich Prof. Wohlrab auch mit neuen Strategien zur Optimierung der Hautbarriere.
Auflistung der Preisträger:innen alphabetisch nach Namen.