Frauen sind von der Corona-Pandemie in besonderem Maße betroffen, denn noch immer sind es vor allem Frauen, die sich um Kinder, pflegebedürftige Angehörige und den Haushalt kümmern – zusätzlich zu ihrem Beruf. Das Motto des diesjährigen Internationalen Frauentags – „Women in leadership: Achieving an equal future in a COVID-19 world“ (deutsch: „Frauen in Führungspositionen: Für eine gleichberechtigte Zukunft in einer COVID-19-Welt“) – rückt insbesondere Frauen in Führungspositionen ins Licht. Das nehmen wir zum Anlass, drei Frauen in ganz unterschiedlichen Schlüsselpositionen an der Universitätsmedizin Halle (Saale) nach ihren Erfahrungen und Einschätzungen zu fragen.

Die Covid-19-Pandemie hat Veränderungen mit sich gebracht, die noch im Januar 2020 undenkbar waren. Ich erlebe, wie wir in nie dagewesener Geschwindigkeit mit Forschern weltweit zusammenarbeiten, um das Virus und die Krankheit besser zu verstehen. Gleichzeitig veränderten sich Abläufe in unserer Klinik und es zeigten sich Schwachstellen. Insgesamt wurden automatisch viele Ressourcen aus anderen Bereichen hin zur Bekämpfung der Pandemie verschoben.

Die erste Phase der Pandemie zeigt mir, wie unerwartet anpassungsfähig der Mensch ist und wie schnell Verhaltensweisen umgestellt werden können. Als Beispiel: Der Händedruck zur Begrüßung stellte für mich immer einen zentralen Aspekt einer vertrauensvollen Arzt-Patienten Beziehung dar. Gerade in der Betreuung von Krebspatienten erschien er mir als eine unersetzbare körperliche Geste der Zuwendung. Seit der Pandemie ersetzt ihn ein „Namaste“-Gruß. Er fühlt sich nun ganz normal an. Mein Patientenkontakt ist dadurch nicht weniger herzlich. Ein Händedruck – auch mit frisch desinfizierten Händen – kommt mir unabhängig vom Coronavirus nicht mehr richtig vor.

Auch die aktuelle Phase der Pandemie kann für uns Lehren bereithalten. Ich war immer Verfechterin eines gewissen Pragmatismus – schnell beginnen und im Verlauf justieren - und gehe davon aus, dass der aktuelle Impfpragmatismus Israels oder Großbritanniens die Vorzüge eines solchen Weges in der Aufarbeitung zeigen wird. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass wir alle ein Stück unsere Anspruchshaltung und kantigen deutschen Sicherheits- und Gerechtigkeitskonzepte auf den Prüfstand stellen. Auch hinter der Frage der Privilegien für Geimpfte versteckt sich für mich ein tiefergehendes gesellschaftliches Thema: das der Neidgesellschaft. Die Pandemie gibt Anlass, sich mit diesen Problemen zu beschäftigen.

Aus meiner Sicht sind Frauen im beruflichen Umfeld weit stärker von der Pandemie betroffen als Männer, da nach wie vor –auch in den ostdeutschen Bundesländern – das Gros der Familienarbeit und damit eine klare Doppelbelastung an Frauen hängt. Wer einmal versucht hat, mit einem oder mehreren Kindern im Homeschooling oder in Corona-Quarantäne das tägliche Pensum an Videokonferenzen zu bestreiten, der weiß, wovon ich spreche. Berufsgruppen, die nicht von zu Hause arbeiten können, sind ebenfalls stark belastet, geht ihr aktueller Arbeitsalltag doch häufig mit einer Verlagerung der Arbeitsstunden in die Randzeiten einher. Die erzwungene Flexibilität, und die Bereitschaft dazu, beobachte ich häufiger bei Frauen als bei Männern.

Ich habe hierfür auch nach einem Jahr Pandemie leider noch kein Patentrezept gefunden. Das Dilemma besteht in der Notwendigkeit, Entscheidungen auf Basis einer oft mageren Datenlage zu treffen und zu kommunizieren. Gerade zu Beginn der Pandemie war die Definition der Verantwortungsbereiche – wer entscheidet, wie Menschen im eigenen Verantwortungsbereich unter den Bedingungen der Pandemie versorgt werden - noch vage, mit der Gefahr einer gewissen Verantwortungsdiffusion und Unschärfe in der Führung. Ein weiterer Aspekt ist, dass die Kommunikation Gefahr läuft, zum kontinuierlichen „Überbringen schlechter Nachrichten“ zu verkommen. Ich habe immer versucht, möglichst transparent zu agieren, denn das ist auch die Erwartung, die ich in der Pandemie an die mir übergeordneten Strukturen habe. Insgesamt habe ich jedoch den Eindruck, dass die Pandemie und die gemeinsame Sorge um unsere anfälligen Krebspatienten unsere Klinik trotz Mundschutz und Abstand näher hat zusammenrücken lassen. Wir haben gemeinsam Quarantänen überbrückt, COVID-19-Einheiten besetzt und in unserem kleinen, hochmotivierten COVID-19-Forschungsteam im Akkord gearbeitet, um die Immunologie der Virusinfektion zu verstehen.

Wie an allen Krankenhäusern haben sich die notwendigen Taskforces gebildet, sind Skype-Zugänge eingerichtet, Vorgabedokumente und eine Krankenhauszutrittsbürokratie geschaffen worden, um unseren neuen Alltag zu meistern. Viel bemerkenswerter finde ich jedoch, dass die Universitätsmedizin Halle mit zahlreichen grundlagenmedizinischen Forschungsprojekten bis hin zu Großprojekten wie „RESTART-19“ national und international wissenschaftlich zu COVID-19 Akzente gesetzt hat und dies auch weiterhin tut, beispielsweise im Rahmen der aktuell im Aufbau befindlichen „DigiHero“-Bevölkerungsstudie. Grundsätzlich neu an dieser Arbeit ist für mich die Geschwindigkeit, mit der neue wissenschaftliche Anknüpfungspunkte zu fremden Disziplinen und internationale Kooperationen entstehen, die nicht langfristig geplant und Schritt für Schritt umgesetzt werden, sondern im Hier und Jetzt Ergebnisse liefern.

Sandy Brumme

Mitarbeiterin in der Stabsstelle Zentrales Qualitäts- und Risikomanagement, derzeit im Impfteam für die Impfkoordination zuständig

 

Die Arbeit bzw. das Arbeiten wurde im vergangenen Jahr neu erfundenHome-Office, Skype-Meetings, Online-Fortbildungen, all das sind die meist genutzten Wörter im vergangenen Jahr und dürften wohl neben dem Wort „COVID-19“ zu den Wörtern des Jahres 2020 zählen.

Die neuen Varianten unserer Arbeitsweise wurden trotz der anfänglichen Hürden, aber auch Hemmnisse, wie zum Beispiel sich über Video-Chats zu unterhalten oder Dienstberatungen in digitaler Form abzuhalten, gemeistert. Mittlerweile sind diese neuen Tools alltäglich und nicht mehr aus unserem Arbeitsalltag wegzudenken.

Die neuen Wege und Möglichkeiten haben durchaus etwas Gutes. So erspart man sich Wegezeiten zur Arbeit, zum Außentermin oder für Dienstreisen. In großen Unternehmen gibt es wirtschaftlich gesehen positive Nebeneffekte. So werden zum Beispiel Besprechungsräume nicht mehr oder nur teilweise benötigt. Großraumbüros und Deskshare-Arbeitsplätze erleben ihren Durchbruch.

Aber auch im privaten Umfeld sind wegen der Einschränkungen Veränderungen spürbar. So ist der Alltag „ruhiger“ geworden, würde ich sagen. Der Fokus liegt auf andere Themen und Bereichen und auch hier gibt es einen Umbruch im Leben jedes Einzelnen.

Die meisten Frauen sind in der Pandemiezeit 3 in 1. Denn neben Home-Office, ist in der Lockdown-Zeit noch Homeschooling und Kinderbetreuung zusätzlich mit in den Alltag zu integrieren. Eine individuelle und flexible Arbeitsplatz- und Zeitgestaltung ist leider auch nicht für jeden möglich und umsetzbar. Wenn die Unterstützung aus dem familiären Umfeld nur bedingt möglich ist, erfordert dies viel Organisation und Disziplin, aber vor allem gute Nerven.

Jeder Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter hat gerade in dieser Pandemiezeit ein Päckchen zu bewältigen, egal ob privat oder beruflich. Dabei ist es wichtig, die persönlichen Bedürfnisse und oder Probleme Einzelner zu erkennen und zu besprechen. Neue Lösungsansätze und weitere Möglichkeiten zu erörtern, zu bewerten und so umzusetzen, dass für alle Parteien ein Konsens gefunden werden kann, ohne dabei das Ziel aus den Augen zu verlieren, ist wichtig.

Bei den stetig wachsenden Veränderungen gilt es, das Team und die Beschäftigten mitzunehmen und ständig auf dem Laufenden zu halten. Auch hier gilt es, neue Varianten der Kommunikation zu entdecken und auszuprobieren.

Eine Pandemie mit dem Ausmaß wie wir es im Moment erleben, mit den Auswirkungen, Einschränkungen und Vorkehrungen, gab es in jüngerer Zeit in Deutschland nicht. Die Schutzmaßnahmen für die Patientinnen und Patienten, Beschäftigten und Besucherinnen und Besucher sind in einem Krankenhaus noch viel stärker einzuhalten als sonst in einem Unternehmen. Für uns alle ist die bereits so langanhaltende Situation nicht leicht und erfordert viel Geduld. Die Universitätsmedizin hat mir gezeigt, dass sie trotz der sehr großen Einschränkungen um das Wohl ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Patientinnen und Patienten besorgt ist und sie schützen möchte.

Sicherlich ist es nicht einfach, zum Beispiel unsere Pausen im Team nur noch zu zweit oder gar alleine verbringen zu müssen oder den ganzen Tag eine Maske zu tragen. Aber es ist zum Schutz aller und wer weiß was wäre, wenn die durchgeführten Maßnahmen nicht so konsequent umgesetzt werden würden. Als weitere große und effektive Schutzmaßnahme bietet die Universitätsmedizin ihren Beschäftigten – basierend auf einer Prioritätenliste - ein Impfangebot zur Schutzimpfung vor dem SARS-COV-2-Virus in unserem eigenen Impfzentrum an.

Seit 1976 bin ich in meinem Beruf als Krankenschwester, seit 1999 als Leitung der Zentralsterilisation im UKH tätig. Seit jeher arbeite ich in medizinischen Einrichtungen und Krankenhäusern. Eine solche Situation wie die der Pandemie habe ich zuvor noch nicht erlebt. Die größten Herausforderungen waren der Schutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ansteckung, die Beruhigung bei Ängsten vor Infektionen und Ungewissem, auch das Persönliche betreffend, sowie die Bewältigung der Arbeitsaufgaben und -abläufe bei gleichbleibender Qualität unter völlig neuen Voraussetzungen und Bedingungen.

In der Zeit der Pandemie wuchs bei mir und meinem Umfeld, sowohl dienstlich als auch persönlich, die Besinnung auf das Wesentliche im Leben. Gesundheit, Freude, Zufriedenheit sind die vorrangigen Ziele der aktuellen persönlichen Einstellung und lassen sich bedeutend schneller in kleinen Dingen finden. Man empfindet Wohlbehagen im privaten Umfeld, wenn alle gesund sind, und strebt weniger nach Höherem. Der Wunsch, die Familie und deren Gesundheit zu sichern, ist wesentlich. Ich denke, man rückt wieder näher zusammen und zieht daraus Gewinn.

Sowohl im privaten als auch im dienstlichen Umfeld musste ich feststellen, dass die Frauen vorwiegend Sorgen der Organisation hatten. Dies bezog sich auf Vereinbarkeit vom Beruf mit dem privaten Umfeld, wie beispielsweise die Betreuung und teilweise Beschulung der Kinder oder pflegebedürftiger Angehöriger. Homeschooling und seine technischen Voraussetzungen war für viele etwas Neues, wenn sie nicht gewohnt waren, die Kinder schulisch zu unterstützen. Das dann mit der Arbeit zu vereinbaren war und ist für viele Mitarbeiterinnen die größte Anstrengung. Zudem gibt es für Eltern von Kindern ab 12 Jahren laut Gesetz keine Unterstützung in der Betreuung, das ist für die Mitarbeiterinnen eine große Herausforderung.

Als Führungskraft gilt es die Bedürfnisse der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit den Anforderungen der Arbeitsaufgaben abzustimmen. Die Qualität darf nicht leiden, jedoch sind die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu unterstützen, wo es möglich ist, um deren psychische und physische Gesundheit zu sichern und sie nicht über ihre Belastungsgrenzen hinaus gelangen zu lassen. Bei allen Herausforderungen sind sie zu stärken. So ist auch die Arbeitsleistung gewährleistet. Eine umfangreiche Information über aktuelle Fragen der Pandemie und deren Bedeutung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist maßgebend, um Ängste und Unsicherheit gar nicht erst entstehen zu lassen.

Wichtig für mich persönlich ist, vertrauensvolle Ansprechpartnerin zu sein, damit, falls es gewünscht wird, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Sorgen und Bedenken auf kurzem Wege ansprechen können.

Schon von Beginn der Pandemie an unterstützte das Universitätsklinikum die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Persönlichen, zum Beispiel mit den zusätzlichen Betreuungstagen der Kinder unter 12 Jahren. Jederzeit wurde für alle Beschäftigten benötigte persönliche Schutzausrüstung und Desinfektionsmittel in ausreichender Menge zur Verfügung gestellt. In unserem Klinikum bekommt jeder Mitarbeiter FFP2- Masken, statt nur der medizinischen Schutzmasken, bereitgestellt.

Es wurde versucht, unter höchsten Anstrengungen den Klinikablauf möglichst normal zu gestalten. Die Beschäftigten wurden bereits vor gesetzlichen Bestimmungen regelmäßig auf COVID-19 getestet, um so die Belegschaft, aber auch unsere Patientinnen und Patienten schützen zu können.

Es gibt strikte Hygienemaßnahmen, die den Infektionsschutz für Belegschaft und Patienten sichern sollen.

Ich denke, unter den völlig neuen äußeren Bedingungen und Herausforderungen haben wir die Situation sehr souverän gestaltet.