Eine Person sitzt an einem Computer. Auf dem Bildschirm ist das Foto einer anderen Person zu sehen, deren Gesicht unkenntlich gemacht ist. Daneben Text.

Die Anamnese, also die systematische Befragung zum Gesundheitszustande eines Individuums, ist ein Schlüsselbestandteil des diagnostischen Vorgehens. In diesem Gespräch erfährt die Ärztin/der Arzt alle relevanten Informationen über die aktuellen Beschwerden der Patientin/des Patienten, über Vorerkrankungen oder Medikamenteneinnahmen, zur Familiengeschichte, zu Risikofaktoren oder dem psycho-sozialen Umfeld. Eine sorgfältige Erfassung aller dieser Aspekte ist entscheidend für das weitere diagnostische und therapeutische Vorgehen. Die Medizin-Studierenden müssen im Kommunikationstraining die Struktur und Durchführung dieser Gespräche erlernen und üben.

 

Der Anamneseunterricht findet üblicherweise in simulierten Gesprächen zwischen Studierenden untereinander oder mit Hilfe von Schauspielpatienten statt. Beim Unterricht untereinander entsteht aber eine sehr unrealistische Gesprächsumgebung und beim Einsatz von Schauspielpatienten kann stets nur eine Studentin/ein Student mit einem Schauspieler interagieren.

 

Um der große Zahl an Medizinstudierenden die Möglichkeit zu bieten, in einer realen Umgebung Anamnesegespräche zu üben, werden an der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg virtuelle Dialogformen erprobt. Hierzu wurde eine KI-basierte Chatbot-Umgebung entwickelt, in der sich Studierende mit simulierten Patienten frei unterhalten können. Als Grundlage dienen hierfür Patientenprofile von typischen klinischen Fällen (z.B. einer Patientin mit Blinddarmentzündung) mit eigenen Vorgeschichten und Dialogelementen.

Am Computerbildschirm können die Studierenden diesen Patienten Fragen in freier Form stellen und erhalten die entsprechenden Antworten. Um diese Art der Befragung noch realitätsnäher zu gestalten, existieren zu allen Antworten kurze Videosequenzen, die unterbrechungsfrei miteinander verbunden werden, sodass der visuelle Eindruck eines durchgängigen Gesprächs entsteht. Auch ist es für die Studierenden möglich über eine Speech-to-Text-Umwandlung ihre Frage in ein Mikrofon zu sprechen, die dann in Text umgewandelt und von dem Patienten-Avatar beantwortet wird.

 

In der derzeitigen Entwicklungsstufe des Projekts steht im Vordergrund, dass die von den Studierenden durchgeführte Befragung vollständig ist und keine relevanten Aspekte vergessen werden. Hierzu werden die Gespräche analysiert und die/der Studierenden erhalten ein Feedback zur Vollständigkeit. Darüber hinaus erklärt ein klinischer Experte in einer Videoeinspielung, welche Aspekte bei dem jeweiligen Fall von grundlegender Bedeutung sind. Das System wird kontinuierlich weiterentwickelt, sodass es zukünftig auch online eingesetzt werden kann und auch analysiert wird, wie zielführend das Gespräch war.