Trotz Corona: Mehr Augenhornhautspenden am UKH
Im Kampf gegen vermeidbare Blindheit verzeichnen das Universitätsklinikum Halle (Saale) (UKH) und die Deutsche Gesellschaft für Gewebetransplantation (DGFG) mit dem Anstieg der Augenhornhautspende in 2020 einen Erfolg. Mit 116 realisierten Augenhornhautspenden und einer Zustimmungsquote von fast 50 Prozent wurden die Vorjahresergebnisse deutlich übertroffen. Seit mehr als zehn Jahren kooperieren das UKH und die DGFG in der Gewebespende und -transplantation sowie in der Aufbereitung von Augenhornhautspenden mit der Mitteldeutschen Corneabank Halle (MCH) am Universitätsklinikum, einer der ältesten Gewebebanken Deutschlands.
Zahl der Augenhornhautspenden nimmt trotz Corona zu
Der Wegfall elektiver Operationen im Frühjahr und die noch immer Corona-bedingten Einschränkungen stellen die DGFG und ihre Netzwerkpartner in der Gewebespende und -transplantation vor große Herausforderungen. Umso erfreulicher ist der Positivtrend, der sich am UKH abzeichnet: Spendeten 2019 insgesamt 87 Menschen ihre Augenhornhaut, sind es aktuell 116 Spenderinnen und Spender (Stand: 30. Dezember 2020). „Dankbarkeit gebührt insbesondere jenen, die ihre Hornhaut einem anderen Menschen spendeten und jenen, die sich unermüdlich für die Gewinnung, Koordination und Pflege der gespendeten Gewebe einsetzen“, verdeutlicht Prof. Dr. med. Arne Viestenz, Direktor der Universitätsklinik und Poliklinik für Augenheilkunde am Universitätsklinikum Halle (Saale).
„Die Gewebespende ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Dem steigenden Bedarf an dringend benötigten Transplantaten können wir nur mit der Unterstützung unseres Netzwerks aus Spendekrankenhäusern, Transplantationszentren und Gewebebanken begegnen. Daher weiß ich das UKH und die MCH in dieser schwierigen Zeit als verlässlichen Partner sehr zu schätzen“, betont Martin Börgel, Geschäftsführer der DGFG. Die Augenhornhautspenden kommen Patientinnen und Patienten am UKH, aber auch darüber hinaus zu Gute: Etwa 258 Augenhornhauttransplantationen zur Wiederherstellung oder zum Erhalt der Sehkraft wurden in 2020 allein an der Universitätsklinik durchgeführt.
Mehr Menschen entscheiden sich für Gewebespende
Im Gegensatz zur Organspende ist die Gewebespende nicht an die Feststellung des unumkehrbaren Hirnfunktionsausfalls („Hirntod“) gebunden. Demnach ist eine Gewebespende auch nach dem Herz-Kreislauf-Tod möglich – im Falle der Augenhornhautspende bis zu 72 Stunden nach Todeseintritt. In dieser Zeit prüft das Koordinatorinnen-Team der DGFG, Vicky Jakubitz, Diana Wille, Stefanie Damm und Laura Gürlich, die Spendermeldungen am UKH. Sofern keine medizinischen Ausschlussgründe vorliegen, kontaktieren sie die Angehörigen der oder des Verstorbenen und klären über die Möglichkeit einer Gewebespende auf.
Die Zustimmungsquote am UKH liegt derzeit bei fast 50 Prozent. Das ist eine Steigerung um 17 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Somit willigten jeder zweite Mensch bzw. die Angehörigen in die Gewebespende ein. Die Entscheidung für oder gegen die altruistische Spende sollte möglichst zu Lebzeiten getroffen werden, plädiert Koordinatorin Vicky Jakubitz: „Die Angehörigen stehen in jedem zweiten Fall mit der Entscheidung zur Gewebespende allein. Ist der Wille der oder des Verstorbenen bekannt, kann das im Trauerfall erheblich entlasten und für Sicherheit sorgen.“
Im Falle einer Einwilligung nimmt eine Ärztin oder ein Arzt der DGFG in einem zweiten Gespräch Kontakt mit den Angehörigen auf, um offengebliebene Fragen zu klären. Nach der Gewebeentnahme wird die/der Spender/in durch den Einsatz von Glasprothesen respektvoll versorgt. Die Augenhornhautspende ist äußerlich nicht sichtbar und die Angehörigen können sich in Würde von der oder dem Verstorbenen verabschieden. Die entnommenen Hornhäute werden in einer Gewebebank im Netzwerk der DGFG, vor Ort die Mitteldeutsche Corneabank Halle (MCH), aufbereitet und über die zentrale Vermittlungsstelle der DGFG in Hannover anhand einer bundeseinheitlichen Warteliste an Patientinnen und Patienten aus ganz Deutschland zur Transplantation abgegeben.
Starke Netzwerkpartner seit mehr als zehn Jahren
Vor 21 Jahren fand die erste Augenhornhautspende am Universitätsklinikum Halle statt und wurde in der MCH aufbereitet. Seither konnten mehr als 5.000 Patientinnen und Patienten mit einem Augenhornhauttransplantat versorgt werden. Die MCH zählt zu den ältesten Gewebebanken Deutschlands und war der erste Netzwerkpartner der DGFG in der Gewebeaufbereitung. Anlässlich des 20-jährigen Bestehens der MCH richtete die DGFG 2019 gemeinsam mit der Universitätsmedizin Halle das Hallesche Hornhaut-Symposium aus.
Augenheilkunde am UKH: Spitzenzentrum für rekonstruktive und regenerative Medizin
Die Universitätsklinik und Poliklinik für Augenheilkunde am UKH gilt als ein Spitzenzentrum für regenerative und rekonstruktive Medizin. Prof. Dr. med. Arne Viestenz, der die Klinik seit 2017 leitet, etablierte die sogenannte Pol-zu-Pol-Transplantation, bei der innerhalb von zwei Stunden eine vollständige Rekonstruktion des Auges inklusive Hornhaut, Katarakt, Iris und Netzhaut erfolgt. Akute Hornhauterkrankungen wie Keratomykosen (Pilzinfektion) oder eine angeborene Aniridie (Fehlen der Iris) werden schwerpunktmäßig behandelt. Das Kerngebiet der universitären Forschung im Bereich Augenheilkunde liegt in der regenerativen Medizin wie dem Einsatz von Limbusstammzellen zur Rekonstruktion und Regeneration der Augenoberfläche.
Mit der Hornhautspende Augenlicht retten
Droht der Verlust des Sehvermögens, ist die Hornhauttransplantation oftmals die letzte Behandlungsmöglichkeit. Seit mehr als 100 Jahren werden Hornhäute verpflanzt. Es ist die älteste, häufigste und auch die erfolgreichste Transplantation in der gesamten Medizin. Rund 7.000 Mal im Jahr ersetzen Ärztinnen und Ärzte in Deutschland die erkrankte Hornhaut durch eine menschliche Spenderhornhaut. Dennoch kann der deutschlandweite Bedarf bisweilen nicht gedeckt werden. Trotz gestiegener Bereitschaft zur Gewebespende müssen viele Patientinnen und Patienten noch immer auf ein geeignetes Gewebetransplantat warten.
Für die Hornhautspende gibt es keine Altersgrenze. Ebenso ist sie bei Augenveränderungen wie Grauem Star, einer Weit- oder Kurzsichtigkeit sowie einer Hornhautverkrümmung möglich. Gewebe, die nach dem Tod gespendet werden können, sind neben Augenhornhäuten, Herzklappen und Blutgefäßen auch Knochen, Sehnen, Bänder und Haut. Die Hirntoddiagnostik spielt bei der Gewebespende keine Rolle. In 2020 vermittelte die DGFG bundesweit 6.268 Gewebetransplantate, davon 3.962 Augenhornhäute.