Familienorientiert und interventionsarm: Land Sachsen-Anhalt fördert Modellprojekt „Hebammenkreißsaal“ an der Universitätsmedizin Halle
Eine kontinuierliche 1:1-Betreuung durch eine Hebamme in familienorientierter Atmosphäre und dennoch in unmittelbarer Nähe zur Versorgung durch eine Hochleistungsmedizin: Seit drei Jahren bietet die Universitätsmedizin Halle eine Geburtsbetreuung im „Hebammenkreißsaal“ an. Gefördert wird das Modellprojekt zur Stärkung der originären Hebammenarbeit seit 2019 durch das Land Sachsen-Anhalt. Für die Fortführung bis Mitte 2024 erhält die Universitätsklinik und Poliklinik für Geburtshilfe und Pränatalmedizin der Universitätsmedizin Halle nun einen weiteren Zuwendungsbescheid in Höhe von 289.600 Euro.
„Wir freuen uns, dass wir mit Unterstützung des Landes Sachsen-Anhalt dieses Zusatzangebot für Spontangeburten in einer geborgenen Atmosphäre – abgeschirmt vom Krankenhausalltag und dennoch im Ernstfall abgesichert durch das volle Leistungsspektrum eines universitären Maximalversorgers – weiterhin für Familien anbieten können“, sagt Christiane Becker, Pflegedirektorin der Universitätsmedizin Halle. „So steigt nicht nur die Qualität der individuellen Betreuung für Frauen während der Geburt, auch die Arbeitsbedingungen für Hebammen werden dadurch verbessert.“
Der „Hebammenkreißsaal“ ist ein geburtshilfliches Betreuungsmodell der Universitätsmedizin Halle, bei dem erfahrene Hebammen eigenverantwortlich und interventionsarm gesunde Schwangere vor, während und nach der Geburt ohne ärztliche Geburtshelfer:innen betreuen. „Ungefähr jede dritte Geburt im Land ist eine Kaiserschnitt-Geburt. Das ist eindeutig zu viel, da ein Großteil medizinisch nicht notwendig ist“, sagt Petra Grimm-Benne, Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt. „Der Fokus einer Hebamme liegt auf der natürlichen Geburt. Dafür ist sie ausgebildet und sollte auch so agieren dürfen. Ein Kaiserschnitt sollte eine Notlösung bleiben und nicht ein Wunschkaiserschnitt als Hauptlösung. Wir hoffen, dass mit hebammengeleiteten Kreißsälen wieder mehr Kinder auf natürlichem Wege zur Welt kommen.“ Um den steigenden Anforderungen und der zunehmenden Komplexität des Hebammenberufs nachzukommen, ist für die Ausübung in Deutschland eine Hochschulausbildung verpflichtend. Als einziger Standort in Sachsen-Anhalt bietet die Medizinische Fakultät der Martin-Luther-Universität seit dem Wintersemester 2021/22 den dualen Bachelorstudiengang „Hebammenwissenschaften“ an.
Das Konzept bietet von den üblichen Kreißsaal-Modellen abweichende Rahmenbedingungen und eröffnet Vorteile für die gesamte geburtshilfliche Abteilung. „Mit einer kontinuierlichen Geburtsbetreuung sinkt die Interventionsrate signifikant und es erhöht sich die Zufriedenheit der Frauen. Hebammen können selbstbestimmt arbeiten und ihre erlernten Kompetenzen anwenden“, erklärt die Pflegerische Bereichsleitung, Nicole Rostalski. „Das zusätzliche Betreuungskonzept findet großes Interesse bei den Schwangeren. Jede vierte Frau, die sich in unserer Klinik anmeldet, möchte sich über die Möglichkeit einer Geburt im Hebammenkreißsaal informieren.“ Im Jahr 2021 wurden 10 Prozent der Geburten in der Universitätsmedizin Halle ausschließlich durch eine Hebamme betreut. Insgesamt arbeiten in der Universitätsklinik und Poliklinik für Geburtshilfe und Pränatalmedizin derzeit 35 Hebammen in Voll- und Teilzeit.
Der „Hebammenkreißsaal“ wurde in der ersten Projektphase seit 2019 bereits mit 320.000 Euro durch das Land Sachsen-Anhalt gefördert und ist eingebettet in die Evaluationsstudie „Kontinuierliche Hebammenbegleitung (Hebammenkreißsaal)“ der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Diese untersucht die Auswirkung des Hebammenkreißsaals auf die Rate der vaginalen Geburten und medizinischen Interventionen sowie die Zufriedenheit der gebärenden Frau. Erste Ergebnisse liegen voraussichtlich Ende 2022 vor. Der Hebammenkreißsaal der Universitätsmedizin Halle ist einer von drei hebammengeleiteten Kreißsälen in den neuen Bundesländern.