Neuer Professor für Geriatrie an der Universitätsmedizin Halle: Aufbau eines Netzwerks zur Versorgung alter Menschen im südlichen Sachsen-Anhalt
„Im Alter sind die gesundheitlichen Probleme oft vielschichtig und jeder Mensch hat unterschiedliche Erwartungen und Wünsche. Daher wird eines unserer Ziele sein, das Selbstmanagement unserer Patientinnen und Patienten zu stärken, um so die Selbstständigkeit und Lebensqualität bis ins hohe Alter zu sichern. Dies baut auf meinen bisherigen Arbeiten im Bereich der Versorgungsforschung auf: die Medikamentenadhärenz und die Lebensqualität“, sagt Professor Dr. Tino Prell. Die Medizinische Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg hat mit ihm ihren ersten Professor für Geriatrie berufen. Er hat zum 1. September 2021 seinen Dienst angetreten und besetzt eine Brückenprofessur in Kooperation mit dem Carl-von-Basedow-Klinikum Saalekreis.
Prof. Dr. Prell ist für Forschung und Lehre im Fach Geriatrie zuständig sowie als Direktor der neuen Universitätsklinik und Poliklinik für Altersmedizin an der Universitätsmedizin Halle sowie als Chefarzt für Geriatrie des Carl-von-Basedow-Klinikums Saalekreis in Merseburg tätig. Des Weiteren geht mit seiner Position die Leitung des Zentrums für Altersmedizin im Südlichen Sachsen-Anhalt (ZASSA), eine Einrichtung der beiden Partner, einher. Der 39-Jährige war bisher Oberarzt und Leiter der Bereiche Neurogeriatrie und Bewegungsstörungen am Universitätsklinikum Jena.
„Ich freue mich über die spannende, neue Herausforderung, ein geriatrisches Netzwerk für die Versorgung im südlichen Sachsen-Anhalt aufzubauen und das ZASSA auszubauen. Aufgrund des Querschnitt-Charakters des Fachs Geriatrie ist dieses Netzwerk für viele medizinische Disziplinen interessant und bietet zahlreiche Anknüpfungspunkte“, sagt Prof. Prell. Er hat Erfahrung im Bereich der Grundlagenforschung, aber auch in der Bildgebung, sich aber zuletzt verstärkt der Versorgungsforschung gewidmet.
So untersuchten er und seine Arbeitsgruppe im Rahmen einer vom BMBF geförderten Studie die Gründe dafür, warum ältere Menschen ihre Medikamente oft nicht richtig einnehmen können oder wollen. „Diese sogenannte Nonadhärenz ist ein wichtiges und häufiges versorgungswissenschaftliches Thema. Insbesondere beim Übergang von stationärer in ambulante Behandlung zeigen sich oft Probleme, indem Patientinnen und Patienten etwa wichtige Medikamente nicht weiter einnehmen. Hier kann ein Geriatrie-Netzwerk helfen“, so Prell. Dies umfasse auch telemedizinische Ansätze und heimische Assessments bei den Betroffenen.
Mit den Pflegewissenschaften und weiteren Akteurinnen und Akteuren in der Versorgungsforschung, aber auch mit grundlagenwissenschaftlichen Bereichen und der Biomarker-Forschung sehe er am Standort Halle hervorragende Anknüpfungspunkte für die wissenschaftliche Arbeit.
„Im klinischen Bereich gibt es ebenfalls sehr gute Kooperationsmöglichkeiten, beispielsweise in der geriatrischen Onkologie oder der Neurogeriatrie bei Gang- oder Schluckstörungen, und zwar sowohl in Halle als auch in Merseburg“, macht Prell deutlich.
Des Weiteren hat Prell mit dem Thema Delir einen Schwerpunkt, der mehr Beachtung braucht. „Patientinnen und Patienten, die dafür anfällig sind, schon vorher zu ermitteln und den ambulanten Sektor einzubeziehen, um Ressourcen besser zu nutzen, ist mir ein Anliegen“, so Prell.
Den Reiz des Querschnittfachs Geriatrie möchte er Studierenden auch in der Lehre vermitteln und setzt dabei unter Pandemie-Bedingungen auf moderne Lehrmethoden wie den ‚inverted classroom‘ – das heißt, theoretische, digital aufbereitete Inhalte werden selbst erarbeitet und dann im Unterricht vertieft und angewendet. „Ich möchte mich auf klinisch relevante Themen fokussieren, mit Lehre an echten Patientinnen und Patienten sowie mit einer guten Betreuung der Studierenden“, so Prell.
„Mit der Professur stärken wir den Bereich der Alterns- und Altersforschung im südlichen Sachsen-Anhalt und geben ihm die nötige Präsenz. Mit der Professur ist eine hochwertige universitäre Geriatrie verbunden, das heißt auch eine eigene geriatrische Modellstation am Universitätsklinikum Halle. Damit sind neben der Krankenversorgung in Halle und an unserem Lehrkrankenhaus in Merseburg auch klinische Forschung sowie Lehre möglich, die sehr viel Potenzial bieten. Insbesondere in einem Bundesland wie Sachsen-Anhalt, das über einen hohen Anteil an älteren und alten Menschen verfügt, ist dies ein weiterer wichtiger Schritt hin zu einer evidenzbasierten Versorgung und Daseinsfürsorge im Einklang mit dem Konzept der demografie-orientierten Landesmedizin“, betont Professor Dr. Michael Gekle, Dekan der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.
„Die geriatrische Krankenversorgung ist keine alleinstehende Disziplin, sondern strahlt in alle medizinischen Fachbereiche hinein, die sich mit der Behandlung alter Menschen beschäftigen. Prof. Prell übernimmt zusammen mit seinem Team am Universitätsklinikum Halle somit eine wichtige Rolle in der interdisziplinären Behandlung unserer häufig multimorbiden alten und sehr alten Patientinnen und Patienten“, ergänzt Professor Dr. Thomas Moesta, Ärztlicher Direktor am Universitätsklinikum Halle.
„Die Brückenprofessur ist ein wegweisender Schritt, eine wichtige Etappe der gemeinsamen Zusammenarbeit. Nach einem langen Ausschreibungs- und Berufungsverfahren konnte die W3-Professur für Geriatrie mit Prof. Tino Prell exzellent besetzt werden. Unsere Klinik für Altersmedizin/Geriatrie mit den Standorten Merseburg und Querfurt ist die größte ihrer Art im Süden Sachsen-Anhalts und verfügt mit Chefärztin Dipl.-Med. Andrea Jäkel über die längsten Erfahrungen auf diesem Gebiet. Wir freuen uns, diese Erfahrungen nun auch in die universitäre Forschung und Lehre einbringen zu können“, sagt Lutz Heimann, Geschäftsführer des Carl-von-Basedow-Klinikums Saalekreis.
Der gebürtige Weimarer Prof. Dr. Tino Prell hat in Magdeburg Medizin studiert und wurde 2008 promoviert. 2014 folgte die Facharztanerkennung für das Fach Neurologie. Im Jahr 2017 habilitierte sich Prell, erhielt die Lehrbefugnis für das Fach Neurologie und erwarb die Zusatzbezeichnung Geriatrie.