„Zahnerhalt betrifft Jung und Alt“: Prof. Dr. Kerstin Bitter ist neue Professorin für Präventive und Restaurative Zahnerhaltungskunde
Prof. Dr. Kerstin Bitter hat zum 1. März 2023 die W3-Professur für Präventive und Restaurative Zahnerhaltungskunde an der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg angetreten. Mit der Berufung übernimmt sie auch die Leitung der Universitätspoliklinik für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie im Department für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der Universitätsmedizin Halle. Zuvor war sie Oberärztin in der Abteilung für Zahnerhaltung, Präventiv- und Kinderzahnmedizin an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Sie tritt die Nachfolge von Prof. Dr. Hans-Günter Schaller an, der nach 23-jähriger Tätigkeit in Halle seinen Ruhestand angetreten hat.
„Zahnerhalt bedeutet vor allem Prävention und betrifft Jung und Alt“, sagt Prof. Dr. Kerstin Bitter. Ziel sei es immer, möglichst viel Zahnsubstanz zu erhalten. „Vorsorge ist und bleibt die wichtigste Aufgabe bei unseren jungen Patient:innen. In den letzten 30 Jahren hat man hierfür in Deutschland viel erreicht, gerade bei Kindern.“ Je früher man bei Erkrankungen im Mundraum eingreife, desto besser sei die Gesundheit eines Menschen ein Leben lang, betont sie.
In der Zahnmedizin sei medizinisches Interesse für den gesamten menschlichen Körper ausgesprochen wichtig, findet die gebürtige Kielerin. „Ich habe mich schon immer für Medizin und Naturwissenschaften begeistert. Im Bereich der Parodontologie sind die Schnittstellen mit der Allgemeinmedizin besonders ausgeprägt. Viele Krankheiten sind in die eine oder andere Richtung assoziiert.“ Das werde am Beispiel der Parodontitis deutlich, einer bakteriellen Entzündung des Zahnhalteapparats, unter der die Hälfte aller Deutschen leiden. „Man weiß, dass Diabetes-Typ-2, Rheuma und andere Faktoren das Risiko für eine Parodontitis steigern. Und es wird diskutiert, inwiefern diese wiederum bestimmte Erkrankungen fördert“, so Bitter.
Zahnmedizin sei generell sehr praxisorientiert, erfordere handwerkliches Geschick und Empathie für die Patient:innen. „Am Ende eines Tages sieht man direkt, was man erreicht und getan hat – das schätze ich.“
Zur Zahnerhaltung gehört neben der Prophylaxe auch die Rekonstruktion von Zähnen, etwa durch Füllungen oder Kronen bzw. Teilkronen. Um diese künstlichen Werkstoffe gut im Zahn zu verankern, muss ein enger Kontakt zum gesunden Zahnmaterial über eine Verbindungsschicht geschaffen werden, sogenannte Grenzzonen. Diese sind ständigen Belastungen ausgesetzt und ihre Stabilität ist wichtig für eine langfristig erfolgreiche Behandlung. Hier setzt Bitters Forschung an: „Obwohl es unterschiedlichste Werkstoffe gibt, sind künstliche Grenzzonen nie so gut wie die natürlichen Verbindungen zwischen den verschiedenen Zahnstrukturen. In der materialwissenschaftlichen DFG-Forschungsgruppe 2804 untersuchen wir natürliche Mikrostrukturen und Grenzzonen mit zahnärztlichen Werkstoffen sowie Mikroorganismen, um Erkenntnisse über widerstandsfähige Grenzzonen zu erhalten.“
Für die dazugehörige 3D-Bildgebung nutzen die Wissenschaftler:innen hochmoderne Technologien, unter anderem Röntgenmikrotomografie oder Synchrotron-Teilchenbeschleuniger. Es handelt sich aktuell bundesweit um die einzige DFG-Forschungsgruppe im Bereich Zahnmedizin. Nun ist sie auch in Halle angesiedelt. „Zusätzlich möchte ich hier in Halle eine mikrobiologische Forschung zu endodontischen Biofilmen aufbauen. Das sind bakterielle Infektionen im Innenraum der Zahnwurzel, die mit einer apikalen Parodontitis zusammenhängen“, erklärt Bitter.
„Die Hallesche Zahnmedizin hat einen guten Ruf – das will ich aufrechterhalten. Mein Vorgänger Prof. Dr. Hans-Günter Schaller hat ein modernes Umfeld mit guter Infrastruktur aufgebaut. Ich glaube, dass wir zukünftig mehr Studierende in der Region halten können, wenn wir diese Grundlage weiter kultivieren“, fasst sie zusammen. In der Lehre setzt Prof. Dr. Kerstin Bitter vor allem auf gute Lernatmosphäre, Feedback-Kultur und digitale Formate. „Nahbarkeit, Struktur und klare Kommunikation von Lern- und Prüfungszielen sind das Herzstück einer guten Lehre. So simpel das klingt, tragen diese Grundsätze wesentlich zum Lehrerfolg bei und machen das Studium persönlicher“, sagt die 49-Jährige. „Die seit 2021 gültige neue zahnärztliche Approbationsordnung ist eine große Chance, um weitere Schnittstellen mit der Medizin zu schaffen, beispielsweise zur Schmerzmedizin und Geriatrie.“ Hier strebt Prof. Bitter vielfältige Kooperationsmöglichkeiten vor Ort an. „Die kurzen Dienstwege in Halle sind da sehr hilfreich.“
Prof. Dr. Heike Kielstein, Dekanin der Medizinischen Fakultät, betont: „Die Universitätsmedizin Halle erhält mit Prof. Dr. Kerstin Bitter eine engagierte Wissenschaftlerin, Dozentin und Einrichtungsleiterin, die in Forschung, Lehre und Versorgung aktiv die Vernetzung der Zahnmedizin mit anderen Fachrichtungen innerhalb der Universitätsmedizin, aber auch mit anderen Fakultäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen vorantreiben wird. Wir freuen uns, dass wir mit Frau Prof. Bitter eine engagierte Lehrende gewinnen konnten, die mit den Kolleg:innen im Department die neue zahnärztliche Approbationsordnung innovativ umsetzen wird. Gemeinsam mit ihr können verschiedene wissenschaftliche Fragestellungen bearbeitet werden, die alle Altersgruppen unserer Patient:innen betreffen.“
Prof. Dr. Kerstin Bitter hat an der Universität Greifswald studiert und wurde dort 2001 promoviert. Nach Auslandsaufenthalten in Südafrika und den USA habilitierte sie sich 2010 an der Medizinischen Fakultät der Charité - Universitätsmedizin Berlin. Unter anderem erlangte sie 2015 einen Abschluss im postgradualen Studiengang „Master of Medical Education“ an der Universität Heidelberg zur Professionalisierung ihrer medizinischen Lehre. Seit 2007 war sie als Oberärztin an der Charité tätig.