Herzschonende Bestrahlung bei Brustkrebs – 50. Patientin mit „atemberaubender“ Innovation behandelt

Jedes Jahr erkranken allein in Deutschland ca. 70.000 Frauen an Brustkrebs. Einen wichtigen Baustein der leitliniengerechten Behandlung stellt die adjuvante Strahlentherapie dar, welche nach brusterhaltender Operation routinemäßig durchgeführt wird. Auch wenn diese Sicherheitsmaßnahme ihren Stellenwert in der Verhinderung eines Rezidivs in Studien eindeutig nachgewiesen hat, wird sie oft kritisch hinsichtlich möglicher Nebenwirkungen hinterfragt.  Als solche können beispielsweise Herzerkrankungen in Erscheinung treten, wobei deren Häufigkeit mit der mittleren Strahlendosis des Herzen zusammenhängt. Dies ist besonders relevant für Patientinnen mit linksseitigen Tumoren, da bei diesen eine enge räumliche Lagebeziehung zwischen der zu behandelnden Brustseite und dem Herzen besteht. Bereits durch die Einführung der bildgestützten Bestrahlungsplanung in den 90er Jahren konnten hierbei deutliche Reduktionen des Risikos für Spätfolgen am Herzen erzielt werden.
 

Zur weiteren Optimierung setzt die Universitätsklinik für Strahlentherapie (Direktor: Prof. Dr. Dirk Vordermark) seit 2017 auf das sogenannte ABC-System (Active Breathing Coordinator) und hat mit diesem inzwischen 50 Patientinnen behandelt. ABC ermöglicht die Bestrahlung in tiefer Inspiration (Deep Inspiration Breath-Hold, DIBH). Beim Einatmen kommt es zu einer Weitung des Brustkorbes, wodurch der Abstand zwischen Herz und Brustwand vergrößert wird. Durch die Absenkung des Zwerchfells wird das Herz gleichzeitig in Richtung Bauchhöhle verlagert. Beide Vorgänge sorgen dafür, dass ein deutlich geringerer Anteil der applizierten Strahlung auf das Herz trifft und die mittlere Herzdosis somit um 40-50% reduziert wird.
 

Um dies zu ermöglichen, atmet die Patientin während der Behandlung über ein besonderes Mundstück, wobei ihre Atemkurve digital aufgezeichnet und auf einem Display sichtbar gemacht wird. Über ein optisches oder akustisches Signal wird die Patientin gebeten tief einzuatmen. Wird dabei ein vorher definierter Schwellenwert überschritten, verschließt sich ein Ventil und die Patientin hält für etwa 15 Sekunden die Luft an. Nur während dieser Zeit erhält das Bestrahlungsgerät, der sog. Linearbeschleuniger, die Freigabe zur Bestrahlung, wobei die Patientin die Therapie jederzeit selbst unterbrechen kann. Nach einer kleinen „Atem-Pause“ wird die Prozedur bis zum Abschluss der täglichen Behandlungssitzung fortgeführt.
 

Bereits nach einer kurzer Eingewöhnungsphase sind viele Patientinnen so vertraut mit dem Handling des Ablaufs, dass sie selbstständig zum richtigen Zeitpunkt über den Schwellenwert einatmen. Sie lernen also quasi, mit ihrem eigenen Atem die Bestrahlung selbst zu steuern.
 

Die Verwendung des Systems, das durch Oberärztin Dr. med. Andrea Diestelhorst und  Dr. med. Christian Dietzel betreut wird, ist in einer Reihe mit weiteren innovativen Neuerungen zu sehen, welche seit dem Umzug der Klinik in einen Neubau 2014 etabliert worden, um Brustkrebspatientinnen noch effektiver und schonender zu behandeln. Hierbei sei auch die Einführung der sogenannten hypofraktionierten Bestrahlung erwähnt, welche es häufig ermöglicht, die Behandlungszeit auf drei bis vier anstelle der zuvor üblichen sechs bis sieben Therapiewochen zu verkürzen - bei gleichbleibender Wirksamkeit und exzellenter Akutverträglichkeit.

 

Halle, 20. Mai 2019
Text: Dr. med. Christian Dietzel