Deutschlandweite „Be-Up: Geburt aktiv“-Studie zeigt: Be-Up-Gebärraum steigert Selbstbestimmtheit von Frauen
Beeinflusst die Umgebung und Ausstattung des Gebärraums den Verlauf einer Geburt? Wirkt sich eine aufrechte Geburtsposition auf das Gefühl von Selbstbestimmtheit von gebärenden Frauen aus? Lassen sich Komplikationen während einer Geburt durch den Gebärraum oder aufrechte Körperhaltungen mindern? Die deutschlandweite „Be-Up-Studie“ unter der Leitung von Hebammenwissenschaftlerin Dr. Gertrud M. Ayerle vom Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft der Universitätsmedizin Halle präsentiert nach drei Jahren die ersten Ergebnisse der Studie. „Wir konnten einen signifikanten Zusammenhang zwischen den mütterlichen Körperpositionen während der Wehen und der Selbstbestimmtheit der Frauen nachweisen“, erklärt die Studienleiterin, Dr. Gertrud M. Ayerle. „Je aufrechter und häufiger diese Positionen eingenommen wurden, umso selbstbestimmter erlebten die Frauen die Geburtsphase“.
Die Studie wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 1,5 Millionen Euro gefördert und in einer Kooperation zwischen der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und der Hochschule für Gesundheit in Bochum durchgeführt.
Studie:
Die Studie „Be-Up: Geburt aktiv“ rückt im Sinne des deutschen Nationalen Gesundheitsziels „Gesundheit rund um die Geburt“ die Bedürfnisse der werdenden Mütter in den Vordergrund. Ziel der „Be-Up-Studie“ war es, die Auswirkungen einer neu gestalteten Gebärumgebung zu ermitteln, die den Frauen unter der Geburt mehr Bewegungsfreiheit ermöglicht und ihnen mehr Selbstwirksamkeit und Kontrollgefühl gibt.
Von April 2018 bis Mai 2021 nahmen insgesamt 22 geburtshilfliche Kliniken in neun Bundesländern an der wissenschaftlichen Studie „Be-Up: Geburt aktiv“ teil. Trotz der Corona-Pandemie wurden 3.815 Frauen für die Teilnahme rekrutiert und damit das Rekrutierungsziel erreicht. Auch die Poliklinik für Geburtshilfe und Pränatalmedizin am Universitätsklinikum Halle hat mit 410 rekrutierten Frauen maßgeblich zum Erreichen der Zielstichprobe beigetragen. Der Hintergrund der Studie liegt in der hohen Rate von Kaiserschnitten in Deutschland (rund 30 Prozent), die im Vergleich zur vaginalen Geburt mit einer höheren mütterlichen Komplikationsrate und möglichen Beeinträchtigungen der kindlichen Gesundheit einhergeht.
Um während der Geburt mehr Bewegung und Selbstbestimmtheit zu fördern, wurde ein Be-Up-Gebärraum konzipiert und in allen 22 Studien-Kliniken eingerichtet. Das Gebärbett wurde entfernt oder verdeckt; stattdessen wurden eine Bodenmatratze, verschieden große Schaumstoffwürfel und ein Gebärhocker auf einer Bodenmatte und weitere Elemente, wie Naturfilme zur Entspannung und eine Sitzecke mit Getränken/Snackbar, vorgehalten.
Ergebnisse:
Die Ergebnisse der Studie waren überraschend: In beiden Vergleichsgruppen (Be-Up-Gebärraum versus üblicher Gebärraum) stieg der Anteil vaginaler Geburten auf 89% an. Zwischen den Vergleichsgruppen bestand kein signifikanter Unterschied. Auch bezüglich der Selbstwirksamkeit der Frauen unter der Geburt wurde kein signifikanter Unterschied festgestellt. Es ließ sich jedoch in beiden Gruppen ein signifikanter Zusammenhang zwischen den mütterlichen Körperpositionen während den Wehen und der Selbstbestimmtheit der Frauen identifizieren. Je aufrechter und häufiger diese eingenommen wurden, umso selbstbestimmter erlebten sich die Frauen.
Die Zwischenprüfung und die Endergebnisse zeigen, dass die Gebärumgebung des Be-Up-Geburtsraums genauso sicher ist wie übliche Gebärräume. Der Be-Up-Gebärraum ist als besonderes Angebot am Universitätsklinikum in Halle weiterhin vorhanden. Er ist einzigartig in Sachsen-Anhalt und ein attraktives zusätzliches Angebot für schwangere Frauen, die eine natürliche Geburt anstreben. Informationen über den Be-Up-Gebärraum und die Ideen dahinter sind über die Studienwebsite (www.be-up-studie.de) zu erhalten.
Leitung der Studie und Ansprechpartner*in:
Das Projekt wird koordiniert von Dr. Gertrud M. Ayerle (gertrud.ayerle☉medizin.uni-halle.de) im Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaften der Medizinischen Fakultät, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Die stellvertretende Projektkoordination übernehmen Prof. Dr. Rainhild Schäfers von der Hochschule für Gesundheit Bochum (rainhild.schaefers☉hs-gesundheit.de) und Dr. med. Gregor Seliger von der Universitätsklinik und Poliklinik für Geburtshilfe und Pränatalmedizin, Halle/Saale (gregor.seliger☉uk-halle.de).